1943: Max Frisch hat den städtischen Freibad-Wettbewerb für den Zürcher Letzigraben gewonnen – dabei ist er erst seit drei Jahren eidgenössisch diplomierter Architekt. Frisch schreibt bereits, aber seine Karriere als Autor steht noch in den Sternen.
Bauen ist in der Zeit des Zweiten Weltkrieges kein einfaches Unterfangen – aus kriegswirtschaftlichen Gründen, schreibt die schweizerische Bauzeitung 1950. Es muss gespart werden. Arbeitskräfte und Zement sind Mangelware.
Feldherr über 35’000 Quadratmeter
Am 18. Juni 1949 wird das Freibad schliesslich eröffnet. «Zürich ist stolz auf sein neues, vom Dichter-Architekten Max Frisch gebautes Freibad Letzigraben. Eine erfrischende Oase in der Häuserwüste eines weit vom See entfernten Quartiers», heisst es in der Filmwochenschau.
Weit weg vom See, wo Arbeiter wohnen und das Schlachthaus steht. Dieser Ort war einst die äusserste Verteidigungslinie der Stadt. Sie inspiriert Frisch zur Bemerkung: «Zur Zeit bin ich es, der seinen Willen einträgt in dieses Flecklein unsrer Erde, Feldherr über 35 000 Quadratmeter.»
Früher Galgen, heute Kiosk
Auf dem höchsten Punkt, wo heute der Pavillon mit dem Kiosk steht, befand sich vorher ein Pulvermagazin. Im Mittelalter stand da der Galgen.
Deshalb ist auch niemand überrascht, als beim Ausheben der Bassins ein Skelett gefunden wird. Aber an Tod und Krieg will bei der Eröffnung 1949 niemand denken.
Die Filmwochenschau verkündet in stolzem Ton: «Die wunderschöne Anlage sorgt für alle Wünsche. Mütter mit ihren kleinen Kindern haben ihr eigenes Bad. Für die Nichtschwimmer wurde ein mächtiges Becken gebaut. Ein Sportbecken entspricht allen Anforderungen für Schwimmwettkämpfe. Das grosse Bassin wird vom eleganten 10-Meter-Turm überragt.»
Der 10-Meter-Sprungturm ist der erste der Schweiz. Max Frisch schreibt am Eröffnungstag in sein Tagebuch: «Sonniges Wetter und viel Volk. Sie schwimmen, springen von den Türmen. Die Rasen sind voll von Menschen, halb nackt und halb bunt. Und es ist etwas wie ein wirkliches Fest».
Rücksichtslose Veränderungen
In den Jahren und Jahrzehnten nach der Eröffnung wird die Badi Letzigrund stark verändert: Die Wege werden asphaltiert, pflegeintensive Pflanzen durch pflegeleichte ersetzt. Dabei war alles sehr durchdacht von Frischs Projektpartner, dem Landschaftsarchitekten Gustav Amann.
Bei der Renovation 2006 wird das wieder rückgängig gemacht. So kann man in Zürich wieder im unverfälschten architektonischen Hauptwerk von Max Frisch baden gehen. Neben der «Max-Frisch-Badi» – so nennen sie die meisten – hat der Dichter-Architekt übrigens nur noch drei Landhäuser gebaut.