Ausstellungen zu Ferdinand Hodler erfreuen sich in jüngster Zeit einiger Beliebtheit, wie auch die am 27. Januar anlaufende Schau zu Hodlers Spätwerk in der Fondation Beyeler in Riehen belegt. Sie war zuvor in der Neuen Galerie in New York zu sehen und begeisterte das dortige Publikum für Hodler, der in den USA weit weniger bekannt ist als hier.
Vollständiger Überblick
Für Ausstellungskuratoren sind Werkkataloge ein wichtiges Arbeitsinstrument. Denn sie bieten einen möglichst vollständigen Überblick über das Schaffen eines Künstlers. Und daneben erlauben sie nach heutigem Standard auch einen so detaillierten wie rasch greifbaren Überblick über die wissenschaftliche Forschung zum jeweiligen Künstler. Oder sie räumen mit bestimmten Künstlermythen auf, wie nun auch im Falle Hodlers.
Damit sind sie eine hervorragende Basis, um neue thematische Zugänge zu entwickeln. Manchmal führen sie auch zur Entdeckung von Werken, die weniger bekannt sind, weil sie nicht in grossen Museen, sondern in Privatsammlungen hängen.
Forschungsergebnisse umgesetzt
Das Kuratorenduo der aktuellen Hodler-Ausstellung in der Fondation Beyeler, Ulf Küster (Fondation Beyeler) und Jill Lloyd (Neue Galerie), können auf die Erkenntnisse des Hodler-Forschungsprojekts unter Leitung von Oskar Bätschmann und Paul Müller zurückgreifen, das die Grundlage für den seit 2008 erscheinenden Werkkatalog des Malers sind. Der jetzt vom SIK herausgegebene zweite Band mit den rund 500 Bildnissen zeigt auf einen Blick, wie wichtig das Porträt in Hodlers Spätwerk neben den Landschaften war.
Expressive Porträts
Ferdinand Hodler aktuell
Besonders seine berühmten, knorrigen Selbstporträts gehören dazu, aus denen einen der Maler bohrend anblickt, aber auch die zahlreichen Bildnisse seiner Solothurner Mäzenin Gertrud Dübi-Müller und die bekannte Serie von Darstellungen seiner Geliebten, der kranken und sterbenden Valentine Godé-Darel: ein hoch expressiver Zyklus, in dem Hodler sich stärker als je zuvor von jedem naturalistischen Anspruch löst. Damit hebt er auch die Qualitäten des Mediums Malerei gegenüber der damals schon florierenden Fotografie hervor, was nun auch in der Ausstellung in der Fondation Beyeler sichtbar wird.
Stilistische Entwicklung Hodlers
Der ausserordentlich sorgfältig gemachte Band genügt allen wissenschaftlichen Ansprüchen und liegt noch dazu digitalisiert vor. Er zeigt auf einen Blick, wie sich Hodlers Porträtstil parallel zur Auswahl der Porträtierten im Laufe seines Lebens veränderten. Am Anfang, als er als Maler noch kaum bekannt ist, wählt er vorwiegend anonyme Modelle, Handwerker etwa, oder Personen aus seinem näheren Umkreis, und der Malstil ist realistisch.
Schon um die Jahrhundertwende jedoch ist er als Maler so angesehen, dass er auch Aufträge von Sammlern und von einer bürgerlichen Klientel erhält. Hier liegen die Entwicklung seines persönlichen Malstils und die Ansprüche der Auftraggeber durchaus im Wettstreit. Im Spätwerk hinterlassen seine Ausflüge in die Genfer Kabarettszene deutliche Spuren; und wiederum malt er die dort tätigen Tänzerinnen vorwiegend anonym (wobei der Werkkatalog nun mit den Namen aufwartet) und befreit von Konventionen des Porträts.
Die Vorlieben des Malers
Nebst der doch erstaunlichen Vielfalt und Variationsbreite von Hodlers Porträts lässt der Werkkatalog auch bestimmte Vorlieben des Malers noch deutlicher hervortreten. So fällt auf, dass er die Frauen nicht nur in den symbolistischen Bildern häufig mit schräger, je nach Interpretation demütiger oder koketter Kopfstellung zeigt, während seine Männer stur frontal blicken - erst im Spätwerk gibt es dazu Varianten.
In den frühen Porträts halten die Frauen häufig ein Blümchen zwischen den Fingern einer Hand. Mit zunehmendem Alter wird Hodler auch immer frecher in der Farbgebung, und man kann durchaus verstehen, dass diese Porträts lange Zeit weniger geschätzt wurden als die Landschaften: Wer hängt sich schon gerne das Bildnis einer Frau mit blaugrün oder intensiv rosarot verfärbtem Teint und seltsam verrenktem Hals an die Wand?
Da muss man schon stark vom Sujet zugunsten der Qualität der Malerei abstrahieren. Oder die Porträts als Variationen über Landschaften interpretieren, als Gesichtslandschaften - kurzum: als Kunst. Dass Hodler hier zu den ganz Grossen gehört, auch das bestätigt der Werkkatalog allen, die noch daran zweifeln sollten.