Thomas Hirschhorn hat 47 Siedlungen in New York besucht, bevor er sich für die Forest Houses in der Bronx, weitab von den New Yorker Museen, entschied. Hier steht nun das Gramsci-Monument, ein Gemeinschaftszentrum in Kunstform. Oder Kunst in Form eines Gemeinschaftszentrums mitten in einem Wald aus Sozialbauten. «Überall wurde ich gefragt: Was liegt für uns dabei drin?», erzählt Hirschhorn. «Ich sagte: Ich weiss es nicht, ich arbeite für die Kunst. Hier war man mit dieser Antwort zufrieden.»
Der 56-jährige Schweizer Künstler, der seit 1984 in Paris lebt, ist international mit gesellschaftskritischen Installationen bekannt geworden, die von Strassenaltären für Schriftsteller bis zu «Crystal of Resistance» reichen, jener Müllhalde des Konsumzeitalters, mit der Hirschhorn 2011 seine Heimat an der Biennale in Venedig repräsentierte.
Ein Monument aus Sperrholz
Mit dem Gramsci-Monument wolle er an den marxistischen Philosophen Antonio Gramsci erinnern und zugleich den Begriff «Monument» neu definieren, erklärt Hirschhorn. Sein Denkmal besteht nicht aus Stein oder Eisen, wie gewöhnliche Monumente. Als Baumaterial dienten Spanplatten, Plexiglas und Klebband. Der Do-it-yourself-Look ist eines von Hirschhorns Markenzeichen. Und statt für die Ewigkeit gastiert sein Werk nur bis Mitte September auf dieser Welt. «Mein Monument besteht aus den gemeinsamen Erfahrungen, der gemeinsam verbrachten Zeit, den Begegnung und Gesprächen der Menschen, die es zusammengeführt hat.»
Für den Bau hat Thomas Hirschhorn Helfer aus der unmittelbaren Nachbarschaft rekrutiert und ist selber für die Dauer des Projektes in eine Wohnung in den Forest Houses gezogen. Nun beherbergt das Gebilde eine Bibliothek mit Büchern von und über Antonio Gramsci. In Vitrinen, sind die Pantoffeln und das Essgeschirr zu sehen, die Gramsci benutzte, als er unter Mussolini im Gefängnis sass. Es gibt einen Loungebereich und eine Basketball-Ecke, einen Computerraum und einen für Workshops. Ein DJ sorgt für Musik und ein Hausphilosoph für Aufklärung mit täglichen Vorträgen über Themen wie «Die Politik der Kunst» oder «Ontologische Armut».
Anwohner sind Mitarbeiter
Den Anwohnern scheint das Gramsci-Monument zu gefallen. «So etwas hat es hier noch nie gegeben», sagt Ernest, der das Planschbecken im Schuss hält. Die zwölf Dollar, die jeder pro Stunden für seine Mitarbeit am Projekt verdient, können die meisten gut gebrauchen, zumal viele der Leute in diesem Viertel arbeitslos sind.
Er sei kein Sozialarbeiter, betont Thomas Hirschhorn. Seine Mission sei die Kunst. Es ist Kunst als Beschäftigungs- und Spassprogramm für Minderbemittelte, die dabei als Handlanger, Ausstellungsobjekt und Publikum zugleich dienen. Besserbemittelten aus ferneren Gegenden bietet sich damit eine erbauliche Alternative zum Bronx-Zoo. Böse Zungen könnten das als gutmenschliche Ausbeutung im Tutu des Kunstmessianismus bezeichnen. Aber diese Mäuler werden mit Hotdogs von der Gramsci-Bar gestopft.