Am Anfang jeder Collage steht die Fotografie. Marion Duschletta spaziert scheinbar ziellos durch die Strassen und schiesst spontan ihre Fotos, wie eine Touristin, die zum ersten Mal die Stadt durchstreift. Dabei zog die gebürtige Bündnerin schon vor 20 Jahren an die Limmat. Doch ihre Neugier und ihr Appetit auf Zürichs visuelle Reize sind ungebrochen.
Zigtausende Aufnahmen und Schnappschüsse lagern mittlerweile in ihrem Archiv. Historische Baudenkmäler, imposante Statuen, malerische Segelboote und blaue Züritrams, Zeichen aus der urbanen Signaletik und pittoreske Details aus dem Stadt- und Strassenbild, das sind die Ingredienzen ihrer bunten Zürich-Collagen.
Stadt-Tableaus für Touristen und Fans
Im Atelier bearbeitet die Künstlerin ihre Sujets digital und arrangiert sie dann auf der Leinwand zu kaleidoskopischen Stadt-Tableaus. Mit Farbe, Gips und Sand verpasst sie ihnen eine nostalgische Patina der Verwitterung. Derart veredelt, bedienen diese Unikate perfekt die Sehnsucht von Touristen, Stadtflaneuren und Züri-Fans nach einem persönlichen Souvenir, einem nostalgischen Erinnerungsbild.
Verkauft sich gut
Entsprechend gut verkauft Marion Duschletta ihre kleinen und grossen Bildformate, unter anderem in ihrer eigenen Galerie «Mauerblümchen» mitten in der Zürcher Altstadt. Und nun also der Grossauftrag für die Illustration des neuen Stadtführers «Zürich – Welcome Home» von Unternehmer und Publizist Peter Bührer, vertrieben durch Orell Füssli.
«Entdecken, Ausgehen, Einkaufen», besagt das Cover und lässt erahnen, worum es wirklich geht: Lifestyle steht im Fokus. Geschichte und Kultur, Architektur und Politik spielen nur in Nebenrollen. Kein Wunder, der Autor Peter Bühler ist nicht Historiker, Journalist oder Geograf, sondern «Entrepreneur» und Selfmade-Marketing-Experte.
Was in New York funktioniert, kann in Zürich nicht schief gehen
Bekanntheit erlangte er bereits als junger Promi-Koch und Verfasser diverser Kochbücher, dann wurde er Gastro-Berater und schliesslich Unternehmer in so unterschiedlichen Sparten wie Immobilien, Umwelttechnologie, Kunstberatung und Lifestyle-Publikationen.
Vor zwei Jahren veröffentlichte er den trendigen Stadtführer «My New York City» mit Illustrationen des Comiczeichners James Rizzi. Der Verkaufserfolg hat ihn ermutigt, nun etwas ähnliches für Zürich zu lancieren. In der ikonografischen Bilderwelt Marion Duschlettas hat er die visuelle Entsprechung zu seinem Vorhaben gefunden.
Illustrationen nach Stadtkreis
«Zürich Welcome Home» ist nach den 12 Stadtkreisen gegliedert, jeweils porträtiert von entsprechenden Duschletta-Collagen. Beschrieben werden die üblichen touristischen Attraktionen und Sehenswürdigkeiten. Dieser klassische Bereich eines Stadtführers ist eher oberflächlich gehalten.
Ausführlicher und detaillierter wird das Buch, wo es ums Ausgehen und Shoppen geht. Da beschränkt sich der Guide nicht auf allgemein zugängliche Infohappen und Hinweise. Eine Fülle von Vouchers, also Gutscheinen mit Rabattangeboten, animiert zum fröhlichen Einkaufen und Konsumieren. Auch ein paar attraktive Kulturangebot sind erfreulicherweise zu finden, zum Beispiel reduzierte Eintrittskarten für das Kunsthaus.
Zürich per QR-Code
Eine Novität in diesem Sachbuchbereich sind die QR-Codes, die es dem Leser mit Kamerahandy ermöglichen sollen, aktuelle audiovisuelle Informationen auf das Smartphone herunterzuladen: Veranstaltungsagenden, Programme, Fahrpläne. Der tatsächliche Nutzen ist jedoch fraglich, denn die Marktforschung zeigt, dass die User diese Technologie kaum je in Anspruch nehmen. Neben dem Informationswert sind auch ein paar nette Bonbons in diesem Angebot, so etwa ein Orgelkonzert aus dem Grossmünster, ein exklusiver Zürisong des Technoveteranen-Duos Yello, die Fahrt eines Züritrams aus der Cockpit-Perspektive, FCZ-Fangesänge aus der Südkurve des Letzigrund-Stadions etc.
Die wahre Virtuosität des Initiators Peter Bührer zeigt sich aber im Bereich des Marketings. Anstatt viel Geld für Werbung einzuplanen, hat der global versierte Netzwerker Dutzende von Firmen mit ins Boot geholt und zu Projektpartnern gemacht. Der Trick heisst Merchandising. Eine wahre Flut von Konsumartikeln wird, mit dem Duschletta-Design versehen, die Buchveröffentlichung ab Mitte Oktober begleiten: das reicht vom Puzzle und anderem Spielzeug über Lifestyleprodukte wie Uhren, Regenschirme und Foulards, bis hin zu Pralinendosen, Kaffeetassen, Accessoires und T-Shirts, ja sogar zu Bettwäsche und Unterhosen.
Züri als Unterhosensujet
Diese konzertierte Aktion soll aus der simplen Buchpublikation eine breit sichtbare Kampagne machen und die Aura einer Erlebniswelt schaffen, die zum Dabeisein und Mitmachen animiert. So ist denn der offizielle Buch-Release als medienwirksames Happening im schicken Warenhaus Globus geplant, inklusive Signierstunde.
Die beteiligten Projektpartner kalkulieren alle mit dem Win-win-Effekt und sind deshalb bereit, einiges an Produktionsaufwand zu investieren. Marion Duschletta hat mit der inflationären Vermarktung ihrer künstlerischen Arbeit kein Problem, im Gegenteil.
In Zeiten des unbegrenzten Gelddruckens durch die Nationalbanken dieser Welt scheint auch eine unlimitierte Bilderschwemme in der Kunstwelt kein Tabu mehr zu sein, egal über welche Kanäle das dann läuft.
An einem allfälligen Verkaufserfolg des Buches ist Marion Duschletta mitbeteiligt, und im Gegenzug profitiert Buchinitiator Peter Bührer von einem allfälligen Verkaufserfolg, den die Künstlerin dank des ganzen Wirbels um «Zürich – Welcome Home» in Zukunft mit ihren Originalbildern erzielen könnte. Zürich – Welcome Win-win.