Das Wichtigste in Kürze
- Rund 20 Jahre mussten die Athener auf die Eröffnung des Museums für Zeitgenössische Kunst (EMST) warten. Zur Eröffnung der documenta ist das Museum fertig.
- Der Weltkunstausstellung gelang es nicht, die Kommunikationsbarrieren zwischen der documenta und der einheimischen Szene abzubauen.
- Nicht mal im griechischen Staatsfernsehen, einem der Kooperationspartner der documenta, findet das Kultur-Event in die Nachrichten.
Eröffnung des neuen Kunstmuseums
«Es musste also erst die documenta kommen, damit wir das EMST besuchen können», sagt eine Frau in der Warteschlange an der Kasse. Das EMST ist das Athener Museum Zeitgenössischer Kunst, und die Bewohner der Stadt warten seit bald 20 Jahren auf seine Eröffnung.
Die hat sich bislang mal wegen technischer Probleme, mal wegen personeller Querelen und mal wegen mangelnder finanzieller Mittel immer wieder verzögert. Kürzlich gab es zwar eine Ausstellung im Erdgeschoss zu sehen, aber das Museum in seiner Gesamtheit kannten die Athener bislang nicht.
Die documenta durchzieht Athen
So driftet die Aufmerksamkeit der Besucher immer wieder ab. Mit vielen «Ahs» und «Ohs» scannen sie die Architektur: ein Industriedenkmal und eine Ikone des Athener Modernismus. Breite, in Eisen gefasste Fensterbänder geben atemberaubende Blicke über die Stadt frei und finden mindestens so viel Beachtung wie die Kunst, die die documenta 14 hier ausstellt.
Das EMST ist freilich nur einer der Austragungsorte der documenta in Athen. Das Kulturereignis ist mit einer Vielzahl von Performances regelrecht in die Stadt eingewebt. Gestern etwa startete der «Ritt von Athen nach Kassel», ein documenta-Beitrag von Ross Birrell.
Unverständlicher Minimalismus?
Die 100 Tage andauernde Reise wurde eingeläutet mit einer Zeremonie an einer Fussgängerpromenade direkt unterhalb der Akropolis. Überraschte Passanten zückten Smartphones und Kameras und wollten wissen, was es mit dem Pferdetross auf sich habe.
Die Tücken des Minimalismus: Die documenta ist zwar mit einer Vielzahl von Plakaten in der Stadt präsent, allerdings ist darauf nur ein verzittertes «d14» gedruckt.
Wer mit der documenta nicht vertraut ist, und das sind viele Athener, denn die identitätsstiftende Antike ist viel zu übermächtig, weiss nicht, wofür das «d14» steht.
Epizentrum der zeitgenössischen Kunst
Und so dürften viele Athener immer noch nicht mitbekommen haben, dass ihre Stadt für die nächsten Wochen das Epizentrum der zeitgenössischen Kunst sein wird. Auch die griechischen Medien tragen kaum zur Aufklärung bei. Nicht mal im griechischen Staatsfernsehen, einem der Kooperationspartner der documenta, findet das Kulturevent in die Nachrichten.
Genauestens Bescheid wissen allerdings die griechischen Kunstschaffenden. Allerdings scheint es Kommunikationsbarrieren zwischen ihnen und der documenta zu geben. Die einheimische Kunstszene wirft der documenta «Krisenromantik» vor.
Die documenta-Macher haben schon längst einen Gang runtergeschaltet und sprechen nicht mehr von «Learning from Athens», sondern von «Un-learning». Inzwischen sind sogar die ersten documenta-Graffities in Athen aufgetaucht: «Narzissten aller Länder vereinigt euch». Und: «crapumenta 14».
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 11.4.2017, 9:00 Uhr