In Solothurn trifft sich für drei Tage die Literaturszene der Schweiz. Bücher stehen im Zentrum, die Schriftstellerinnen und Schriftsteller im Scheinwerferlicht.
Die Literatur an den Literaturtagen ist aber nicht nur Selbstzweck. Autorinnen und Autoren beschäftigen sich mit den Themen der Gegenwart – im Alltag, in ihren Büchern.
Wir haben ein Thema herausgegriffen und nachgefragt: Was ist das grösste Problem der Schweiz?
Julia Weber
«Das grösste Problem der Schweiz sind die Berge in den Köpfen der Menschen, ist der Blick, in dem die Überzeugung liegt, zu wissen, was man sehen wird, zu wissen was zum Innen und was zum Aussen gehört.
Als Kind habe ich beim Grenzübertritt erwartet, dass etwas geschieht, ich dachte man würde plötzlich eine andere Sprache sprechen oder der Himmel würde seine Farbe wechseln, dabei kam bloss im Radio ein anderes Lied.
Das grösste Problem der Schweiz sind die Menschen, die so tun, als wären Landesgrenzen naturgegeben, es sind Menschen, denen es um die Erschaffung von Angst vor einem Aussen, zur Stärkung ihrer Macht geht, und nicht, wie sie behaupten, um das Land, in dem der Mensch, ohne Berge im Kopf, besser lebt.»
Dana Grigorcea
«Das grösste Problem der Schweiz ist, dass sie, im Herzen Europas, nicht zur Europäischen Union gehört. Wir leben in Zeiten, da man sich zu den freiheitlichen und aufklärerischen Werten Europas tatkräftig bekennen muss.
Eine politische Enthaltung käme auf die Dauer jener Haltung vor allem der östlichen Neumitglieder gleich, die allein wirtschaftlich von der EU profitieren wollen. Als EU-Mitglied aber hätte die Schweiz ein Mitspracherecht und damit eine faire Chance, die EU, die sie umgibt, aktiv mitzugestalten.»
Vera Schindler-Wunderlich
«Auf! und fragen Sie selbst:
in Kinder- und Sitzungszimmern,
Prachthäusern und Schlachthäusern,
in Sprachkursen, an Felshängen,
Grenzübergängen, in Tunneln, Küchen,
Schließfächern und Friedhofskapellen.
Fragen Sie in allen Sprachen:
«Was habt ihr?» «Was drückt so schwer?»
«Was müssen wir giessen, was kappen?»
Da kämen sie ans Licht, die grössten Lasten der Schweiz.
Und dann wär das grösste Problem der Schweiz nur noch
die Abstimmung über das grösste Problem der Schweiz.»
Gerhard Meister
«Das grösste Problem der Schweiz ist ihr Reichtum. Dass es an so vielen Orten in diesem Land nach Geld stinkt und aus all diesem Geld so selten eine schöne und grosse Idee wächst. Die Idee zum Beispiel, es zu teilen.»
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Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 26.5.2017, 17:08 Uhr