Ja. Sie ist schon ein Saukopf, die Natur. Und es ist Zeit, dass das einer mal ausspricht. Natürlich gibt es allseits bekannte Phänomene, die zu erwähnen oder gar zu bedichten es sich gar nicht erst lohnt.
Kinder zum Beispiel. Jeder weiss, dass die nerven, wenn sie uns in die Ohren brüllen. Oder Bäume. Klar nerven die, wenn sie die Kinder, die uns eben noch in die Ohren gebrüllt haben, jetzt von den Ästen werfen. Oder nasses Laub. Nervt extrem. Denn man rutscht drauf aus. Und das nervt kolossal. Aber das ist bekannt. Da braucht man es kein Gedicht dazu.
Mit Scharfsinn den Ärger benannt
Es gibt aber auch andere, weniger bekannte Naturphänomene. Gebüsche zum Beispiel. Die nerven extrem! Können nichts, wollen nichts, sind nichts. Stehen nur rum. Wie Tulpen, die auch noch als Tulpen erkannt sein möchten. Thomas Gsella deutet hier sogar ein «zum Kotzen» an. Oder Tannenbäume, Hügellandschaften, Regenbögen. Nerven alle extrem.
Aber es braucht schon den Scharfsinn eines Thomas Gsella, um die Gefahren und Ärgernisse zu erkennen, die in, respektive hinter diesen unauffälligeren Mitgliedern der Natur versteckt sind. Thomas Gsella findet sie alle. Jedes Mal. Und braucht auch gar nicht zum Killerargument zu greifen, wonach die Natur schon darum nervt, weil sie Natur ist, und dass sie offenbar nur aus diesem einzigen Grund existiert: um zu nerven. Mit Löwen und anderen Tieren.
Das Ausmass der Sauerei
Ja, es ist Thomas Gsellas grosses Verdienst, diesen Sachverhalt einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Und er gibt sich Mühe dabei: er teilt seinen Gedichtband ein in graduell abgestufte Sauereien.
Er beginnt noch relativ harmlos bei grossen Sauereien: Eier, Kerne, Zecken. Steigert zu Riesensauereien: Wasser, Schluchten, Bäumen. Toppt die mit Sauereien spezial: Blumen, Löwen, Finnen. Schliesst ab mit monströsen Sauereien: Sonne, Mond und Sterne.
Und spätestens jetzt erkennt man auch das ganze Ausmass der Sauerei, die ganze Tragweite dieses Gedichtbandes. Auch Sterne sind Saukopf, sagt Thomas Gsella und geht noch einen Schritt weiter, indem er die Erde, die Menschheit und den Gott miteinschliesst.
Und überhaupt alles. Alles ist Saukopf, sagt Thomas Gsella und endet denn auch konsequent mit dem Satz, respektive Wunsch, sie (die Erde) möge untergehen.
Richtig lustig, ja sogar saukomisch
Das ist erschütternd. Und saukomisch. Und verleitet zu Besprechungen wie dieser hier. Aber dass die meist dreistrophigen und zumeist in gereimten Vierzeilern gehaltenen Naturgedichte Thomas Gsellas allesamt richtig gut und richtig lustig sind, erkennt man sowieso erst, wenn man sie selber liest. Oder noch besser: Wenn man sie sich vorlesen lässt. Und das sollte man schleunigst tun. Das kann ich nur empfehlen.
Sendung: Radio SRF 1, Buchzeichen, 20.11.2016, 14:06 Uhr.