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Marc Ribot - Die Protestsongs des Meistergitarristen
Aus Kontext vom 06.02.2019. Bild: imago / Pacific Press Agency
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Marc Ribot spielt Protestsongs «Wenn Trump weg wäre, sässe ich auf einem nutzlosen Album»

Avantgarde-Gitarrist Marc Ribot veröffentlichte ein Album mit Protestsongs. Auf die Idee brachte ihn Donald Trump.

Marc Ribot ist ein stilbildender Künstler und eine Legende seines Metiers. Der Avantgarde-Gitarrist aus New York tourt mit seinem neuen Album durch die Schweiz.

Ribot singt eine Sammlung von Protestsongs. Dass er sich für dieses Genre entschied, hat einen Grund: Donald Trump.

Marc Ribot

Gitarrist

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In seiner über 40-jährigen Karriere hat der US-amerikanische Avantgarde-Gitarrist Marc Ribot schon über 25 Alben unter eigenem Namen veröffentlicht. Seit seiner Mitwirkung bei Tom Waits' Album «Rain Dogs» ist er ein gefragter Sideman. Er kollaborierte unter anderem mit Elvis Costello, Marianne Faithfull, Vinicio Capossela, Norah Jones, The Black Keys und Elton John.

SRF: Wie kam es zum Album «Songs of Resistance 1942 – 2018»?

Marc Ribot: Es war am Tag, an dem Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt wurde. Ich hatte das Gefühl, ich könne nicht einfach mit meinem Repertoire weiterfahren, als wäre nichts gewesen. Das wäre, als würde das Haus brennen und ich spielte die gleichen Lieder weiter.

Protestlieder wurden von Generation zu Generation aufdatiert.

Ein Album mit meiner Band «Ceramic Dogs» war fast fertig, aber das hab ich zur Seite geschoben – und mich an die Arbeit und die Recherche für diese Songs des Widerstands gemacht.

Zum Teil sind die Songs auf Ihrem Album mehr als 70 Jahre alt. Haben die Songs uns heute noch etwas zu sagen?

Bei der Arbeit habe ich gemerkt, dass einzelne dieser Songs noch weitaus älter waren, als ich dachte. Protestlieder wurden von Generation zu Generation aufdatiert.

Etliche der Lieder aus der Bürgerrechtsbewegung der 60er-Jahre haben ihre Wurzeln in einer fernen Vergangenheit. Sie wurden immer wieder neu entdeckt.

Marc Ribot in der Schweiz

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10.02.2019 – Bern, Progr

11.02.2019 – Zürich, Moods

Einzelne Songs überraschen: «Bella Ciao» zum Beispiel, ein Lied des antifaschistischen Widerstands in Italien. Wie sind sie darauf gekommen?

Eine italienische Freundin hat mir den Song vorgeschlagen. Ich habe sofort gemerkt, dass ich ihn kenne.

Normalerweise wird der Song recht energetisch vorgetragen, wie Fan-Gesang im Fussball. Ich habe nichts gegen Fussball, aber ich hörte etwas anderes darin.

Es geht um einen jungen Mann, der sich dem Widerstand anschliessen will und sich von seiner Liebsten verabschiedet – ein sehr intimer, persönlicher Moment.

An diesem Gefühl hat sich bis heute nichts geändert. Tom Waits hat sich aus meiner Songauswahl diesen herausgesucht.

Sie arbeiten mit einer Vielzahl von GastsängerInnen mit grossen Namen: Michelle Ndegeocello, Steve Earle oder eben Tom Waits. Was für einen Einfluss hatten sie auf die Aufnahmen?

Einen grossen Einfluss – das wollte ich auch so. Tom Waits hat etwa bei «Bella Ciao» Gitarre gespielt und damit eine Stimmung festgelegt.

Beim Song «Srinivas» hat Steve Earle den Text stark verbessert. Es geht um eine wahre Geschichte, in der ein junger Inder namens Srinivas in Kansas in einem Restaurant erschossen wurde, weil der Angreifer dachte, Srinivas sei Muslim.

Ich wünsche mir, dass Menschen aus allen möglichen Sparten der Kunst es mir gleichtun.

Ich wollte den Täter anklagen. Aber Steve hat mir gesagt, man müsse doch vielmehr die Frage stellen, wer hinter dieser Tat steckt? Nun heisst es: Ein Verrückter drückte den Abzug, Donald Trump lud das Gewehr.

Eine recht deutliche, direkte Aussage über den US-Präsidenten. Was erhoffen sie sich nun mit diesem Album?

Ich muss mit einem Paradox leben: Einerseits wünsche ich mir, dass Trump verschwindet. Andrerseits würde ich – wäre er weg – auf einem ziemlich nutzlosen Album sitzen.

Nun ist das Album da und Trump ist immer noch im Amt. Ich wünsche mir, dass Menschen aus allen möglichen Sparten der Kunst es mir gleichtun. Dass wir uns engagieren, um endlich aus dem Durcheinander herauskommen, in dem wir jetzt leben.

Das Gespräch führte Eric Facon.

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