Das Magnetfeld der Erde hilft Zugvögeln und kompassbewehrten Wanderern, sich in der Landschaft zu orientieren. Es lenkt auch gefährliche Teilchenstrahlung aus dem Weltraum ab.
«Wenn wir kein Magnetfeld hätten, würde ein dauernder Strom an hochenergetischen Sonnenteilchen langsam, aber sicher unsere Atmosphäre abtragen», sagt Claudia Stolle vom Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam, «auch die Ozeane würden austrocknen.» Die Erde würde zum toten Planeten.
Zehn Prozent schwächer geworden
Das Magnetfeld ist also eine lebenswichtige Schutzhülle. Doch zugleich ist es wenig stabil und hat Schwächezonen wie die «Südatlantische Anomalie». In jenem Gebiet über dem Atlantik, zwischen Südafrika und Brasilien, passieren die meisten Satellitenpannen, weil das Magnetfeld dort zunehmend schwächer wird.
Auch weltweit schwächelt das Magnetfeld: «In den 150 Jahren, seit wir es messen können, hat es sich um etwa zehn Prozent abgeschwächt», stellt Andy Jackson fest, Physiker an der ETH Zürich.
Ob diese Tendenz so weitergeht oder ob sich das Feld wieder verstärkt, weiss niemand. Das Magnetfeld wirft mehr Fragen auf, als die Forscher Antworten haben. Doch sicher ist: Dieses Kraftfeld hat sich im Verlauf der Erdgeschichte schon viel weitgehender verändert als heute.
Eine Umpolung ist möglich
«Es kann sich umpolen», sagt Andrea Biedermann von der ETH Zürich. Ein solcher Prozess zieht sich über viele Jahrhunderte bis Jahrtausende dahin.
«Zunächst schwächt sich das Magnetfeld stark ab, dann folgt eine etwas chaotische Phase, in der es vier, acht oder noch mehr Pole geben kann, bis sich das Magnetfeld wieder stabilisiert, aber mit dem Nord- und Südpol vertauscht.»
Umpolungen in der Vergangenheit
Rekonstruieren lässt sich das mit Hilfe von Computermodellierungen und Gesteinsanalysen, wie Andrea Biedermann sie macht. Magnetische Gesteine tragen eine Art Fingerabdruck des Erdmagnetfelds zur Zeit ihrer Entstehung in sich.
«Wenn zum Beispiel bei einem Vulkanausbruch magnetithaltige Lava an die Oberfläche kommt und sich abkühlt, wird die Ausrichtung und die Stärke des Erdmagnetfelds jener Zeit im Gestein gespeichert», erklärt die Physikerin.
Dieser versteinerte Fingerabdruck des Magnetfelds lässt sich messen wie auch das Alter des Gesteins. So kann die Forscherin auch sagen: «In den letzten 20 Millionen Jahren hat sich das Magnetfeld im Schnitt alle 500’000 Jahre umgepolt, letztmals vor 800’000 Jahren.»
Kein Grund zur Panik
Rein statistisch gesehen wäre eine erneute Umpolung also wieder fällig. Das heute schwächelnde Magnetfeld könnte ebenfalls darauf hindeuten. Doch hat das historische Magnetfeld auch schon lange geschwächelt und sich wieder erholt. Panik ist jedenfalls fehl am Platz.
Bis es zu einer Umpolung käme, müsste das heutige Magnetfeld noch einmal deutlich schwächer werden als bisher – «um vielleicht 80 Prozent schwächer», so Magnetfeldforscher Andy Jackson. Und das könne beim bisherigen Tempo der Abschwächung gut und gern ein, zwei Jahrtausende dauern.
Zugvögel könnten sich anpassen
Bleibt die Frage, welche Folgen eine Umpolung hätte. Eine grosse Katastrophe wäre sie wohl nicht. «Sonst müssten die bisherigen Umpolungen mit Massensterben zusammenfallen, was nicht der Fall ist», sagt Physikerin Andrea Biedermann.
Zugvögel und wandernde Tiere könnten sich anpassen, vermuten auch Biologen, weil eine Umpolung sich langfristig ankündigt.
Gesundheitsschädigende Strahlung
Ganz unproblematisch wäre es aber auch nicht, wenn unser magnetischer Schutzschild sich vor einem Polsprung um bis zu 80 Prozent abschwächte.
Menschen und Tiere wären dann mehr gesundheitsschädigender Teilchen-Strahlung ausgesetzt. Und noch gravierender, so schätzen Experten, wären die technischen Folgen: Nachrichten- und Kommunikations-Satelliten, Mobilfunkantennen oder Flugradare liessen sich nicht mehr zuverlässig betreiben.
Unsere heutige globale Kommunikationsgesellschaft müsste sich wohl neu erfinden, mit magnetfeldunabhängiger Technik. Doch dafür bleibt ja zum Glück noch etwas Zeit.