Die Debatte zur Leistungsanalyse der Regierung war anstrengend und streckenweise unübersichtlich. Es ging um 35 Massnahmen, darunter wirkliche Sparvorschläge (z. B. Abschaffung Berufswahljahr), aber es ging auch um mehr Einnahmen. Die Regierung wollte diverse Gebühren erhöhen.
Nach der langen Debatte lagen dem Rat zwei regierungsrätliche Anträge vor. Im ersten Antrag ging es um das «Gesetz zur Leistungsanalyse». Dieses enthält die Sparmassnahmen. Antrag 2 betraf das «Dekret zur Umsetzung der Leistungsanalyse». In diesem sind die diversen Gebührenerhöhungen enthalten.
Nach dem Verlauf der Debatte war klar: Die Sozialdemokraten würden alle Sparmassnahmen ablehnen. Folglich war ihr Nein zum Gesetz absehbar. Weil die SP aber für mehr Einnahmen eintrat und also ja sagte zu höheren Gebühren, hätte sie dem Dekret eigentlich zustimmen müssen.
Den falschen Knopf erwischt
Nur: Auf der elektronischen Anzeigetafel waren bei der Schlussabstimmung zum Dekret sowohl bei der SVP wie auch bei der SP rote Punkte, als Nein-Stimmen, zu sehen. Das Dekret wurde mit 73 Nein zu 61 Ja abgelehnt.
Die SVP rieb sich die Augen. Sie, die alle Gebührenerhöhungen vehement bekämpfte, hatte nicht mit dem Support der SP gerechnet. Alle Beobachter waren davon ausgegangen, dass die Gebührenerhöhungen im Rat durchkommen würden, weil auch die Mitte dafür stimmen würde.
Doch mit den Gegenstimmen der SP reichte es der SVP zu einem Sieg. Erst nach einer Weile realisierte die SP, dass sie einen kapitalen Fehler gemacht hatte. Fraktionschef Dieter Egli schlich ans Rednerpult und beantragte ein Rückkommen, also eine Wiederholung der Abstimmung. «Wir haben nicht klar genug getrennt zwischen dem Teil der Sparmassnahmen und dem Teil der Gebühren, das geben wir zu.»
Mit ihrem Antrag brachte die SP ihren Gegenspieler, die SVP auf die Palme. Diese betonte, es gäbe keine rechtliche Handhabe, um eine Abstimmung zu wiederholen. Das Reglement des Grossen Rates sei in dieser Frage eindeutig. «Der Dümmste in diesem Sall wusste, worüber er abstimmte», donnerte SVP-Fraktionschef Andreas Glarner. «Es war nichts unklar, ihr habt einfach falsch abgestimmt.» Die SVP drohte damit, den Saal geschlossen zu verlassen, sollte die Abstimmung wiederholt werden.
Strohhalm gesucht
Ratspräsident Thierry Burkart war nun in der Zwickmühle. Er wusste ganz genau, dass die Abstimmung falsch gelaufen war. Das Resultat der Abstimmung über das Dekret gab nicht die Mehrheitsmeinung des Rates wider. Aber als Jurist war ihm ebenfalls klar, dass er keine Rechtsgrundlage hatte, um die Abstimmung zu wiederholen.
Thierry Burkart rief in den Saal um Hilfe. «Ich sehe keine Möglichkeit, diese Abstimmung zu wiederholen. Wenn jemand einen Strohhalm findet, soll er sich melden. Ich lasse mich gern belehren. Ansonsten kann ich ein Rückkommen auf ein abgeschlossenes Geschäft nicht zulassen.»
Den rettenden Strohhalm fand niemand. Die Schlussabstimmung wurde nicht wiederholt. Die Gebührenerhöhungen sind somit vom Tisch. Und die Regierung kann sie auch nicht noch einmal bringen. Im Gegensatz zu Gesetzen, die immer in eine zweite Lesung gehen, werden Dekrete nur einmal verhandelt.