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Junger Mann mit Brille lächelt in die Kamera
Legende: Christian Bärtsch und sein Essento-Team sind vom Potenzial essbarer Insekten überzeugt. SRF

Insekten essen «Insekten aus dem Garten würde ich nicht essen»

Insekten-Food ist in der Schweiz bald legal. Eine treibende Kraft dahinter: Christian Bärtsch, Mitbegründer von Essento.

SRF News: Ab 1. Mai dürfen in der Schweiz Insekten für den menschlichen Verzehr verkauft werden. Wird das weiterhin vor allem ein Gag für Wagemutige sein oder gibt es hierzulande wirklich gute Gründe, Insekten zu essen?

Christian Bärtsch: Für Insekten als Lebensmittel sprechen verschiedene Gründe. Genuss, Gesundheit und Nachhaltigkeit.

Insekten schmecken gut und bringen vielfältige Geschmacksnoten mit sich. So gibt es zum Beispiel Ameisen mit erfrischendem Zitrusgeschmack. Mehlwürmer haben ein eher nussiges Aroma, Wüstenheuschrecken erinnern an den Geschmack von Poulet.

Dann enthalten Insekten viele hochwertige Proteine, vergleichbar mit Fleisch und Fisch. Und sie liefern wichtige Vitamine und Mineralstoffe sowie ungesättigte Fettsäuren, was sie zu einer gesunden Ergänzung des üblichen westlichen Menüplans macht.

Schliesslich können Insekten sehr nachhaltig gezüchtet werden. Die Zucht braucht viele weniger Wasser und Futter, und Insekten produzieren auch sehr viel weniger Treibhausgase.

Reicht das, um auch skeptische Schweizer Konsumenten vom neuen Lebensmittel zu überzeugen?

Wir sind überzeugt, dass es hierzulande viele «Foodies» und offene Konsumenten gibt, die Insekten oder insektenhaltige Lebensmittel ausprobieren wollen und Geschmack an der Delikatesse finden werden. Laut Umfragen haben 15 bis 21 Prozent der Schweizer Bevölkerung ja bereits einmal Insekten probiert.

Bei Sushi war die Skepsis zunächst auch gross.

Wie jede Innovation im Lebensmittelbereich wird es sicher eine gewisse Zeit brauchen, bis sie sich etabliert. Siehe Sushi. Da war die Skepsis zunächst auch gross, und heute ist das ein akzeptiertes und nachgefragtes Lebensmittel.

Sind eigentlich alle Insekten essbar?

Sicher sind nicht alle geniessbar. Weltweit werden rund 2000 Insektenarten gegessen. Ausschlaggebend sind dabei die Verfügbarkeit, der Geschmack und die enthaltenen Nährstoffe.

Weshalb sind in der Schweiz nur Mehlwürmer, Grillen und Wanderheuschrecken zugelassen? In Asien oder Afrika kommen doch seit jeher viel mehr Insektenarten auf den Tisch.

Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV hat diese drei Insektenarten geprüft und bei korrekter Aufzucht und Verarbeitung als sicher eingestuft. Damit weitere Insekten auf den Markt gebracht werden können, müssen diese ebenfalls vom BLV zugelassen werden.

Was unterscheidet eigentlich eine «Nahrungsmittel-Heuschrecke» von einer normalen Heuschrecke in meinem Garten?

Insekten für den menschlichen Verzehr werden speziell dafür gezüchtet. Bei ihrer Aufzucht werden ausschliesslich zertifizierte Futtermittel verwendet.

Aber die Insekten aus meinem Garten darf ich essen, wenn mir danach ist?

Aus rechtlicher Sicht spricht nichts dagegen. Empfehlen würde ich es aber nicht, da unklar ist, was diese Insekten alles gefressen haben.

Bei Insekten aus dem Garten ist unklar, was die schon alles gefressen haben.

Wir erleben Insekten als Abfallverwerter, die positiv gesehen Müll in wertvolles Protein umwandeln. Das ist bei der Zucht von essbaren Insektenarten also nicht so?

Nein. Beim Futter handelt es sich um pflanzliche Stoffe, welche die «GMP+»-Standards erfüllen. Das Futter enthält keine gentechnisch veränderten Organismen und keine Pestizide.

Wenn statt Abfallprodukten derart hochwertiges Material verfüttert wird: Wie ökologisch und nachhaltig ist das dann noch?

Insekten werden bereits heute mit Seitenströmen der Lebensmittelproduktion gefüttert – sprich Stoffen, die aktuell nicht weiterwendet werden. Mehlwürmer erhalten beispielsweise eine Mischung aus Kleie und unschönem Gemüse. Insekten verwerten wertvolle pflanzliche Stoffe um ein Vielfaches effizienter als Rinder.

Damit die Zucht rentiert, müssen massenweise Insekten auf engstem Raum gezüchtet werden. Das klingt nach besten Voraussetzungen für Krankheiten oder Seuchen.

In zertifizierten Insektenzuchtbetrieben gelten Bestimmungen für Hygiene, um den Ausbruch von Krankheiten zu verhindern. Wir beziehen nur Insekten, die ohne den Einsatz von Medikamenten aufgezogen werden.

Und was für Vorgaben gelten für die Verarbeitung der Insekten?

Gemäss den Richtlinien des BLV müssen Insekten, die als Lebensmittel in Verkehr gebracht werden, eine gewisse Zeit lang tiefgefroren werden. Dann unterzieht man sie einem Verfahren – zum Beispiel Blanchieren –, das die vegetativen Keime abtötet. Für die weitere Verarbeitung gelten die üblichen Richtlinien der Lebensmittelbranche.

Das Gespräch führte Franco Bassani

Insektenfood: In der Schweiz ab 1. Mai legal

Christian Bärtsch

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Christian Bärtsch ist Mitgründer und Geschäftsführer von Essento. Das 2013 gegründete Startup hat sich dem «riesigen ökologischen und ökonomischen Potenzial» von Insekten verschrieben und ist treibende Kraft hinter der Insekten-Food-Legalisierung in der Schweiz.

Ab Mai im Regal

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Als erster Grossverteiler wird Coop ab Mai Insekten-Burger und -Hackbällchen anbieten, die mit Essento entwickelt wurden. Zu haben sind sie in ausgewählten Filialen. Die Migros hält sich vorerst zurück, baut aber Know-how auf. Konkretere Absicht hat die SV-Group: In ihren Kantinen soll ab 2018 Insekten-Food auf dem Menü stehen.

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