SRF: Keine Energie mehr, keine Signale: Ist das nun das definitive Aus von Philae?
Karsten Seiferlin: Nein, denn wir haben den Lander nochmals gedreht, in der letzten Sequenz, die wir durchgeführt haben, um ihm mehr Sonnenlicht über die dann besser ausgerichteten Solarzellen zur Verfügung zu stellen. Bevor wir wussten, wo er steht, dachten wir, dass er maximal bis März arbeiten kann und dann zu heiss wird. Jetzt gehen wir davon aus, dass er viele Wochen nicht arbeiten kann, weil er zu wenig Sonne bekommt. Aber der Komet geht ja näher zur Sonne, und damit wird das Sonnenlicht intensiver. Jetzt rechnen wir damit, dass er vielleicht im Februar wieder aufwacht und im März eben nicht zu heiss wird, so dass wir ihn sehr viel länger betreiben können. Wenn er wieder aufwacht, kann es sogar ein Glücksfall sein, dass er dann wie unter einem Sonnenschirm sitzt, der ihn ein bisschen schützt.
Ich habe als Laie gedacht, dass es ein Riesenpech war, dass Philae im Schatten und nicht in der Sonne aufgesetzt hat. Stimmt das gar nicht?
Das wissen wir noch nicht. Wir sind erstmal sehr zufrieden, dass die Science Sequence perfekt geklappt hat. Falls er wieder aufwacht, würde dies später sein als ursprünglich gedacht, aber es würde auch länger halten, als ursprünglich gedacht. Ob er wieder aufwacht, wissen wir nicht. Wenn er wieder aufwacht, ist es eher gut, dass er im Schatten sitzt.
Wenn er nicht wieder aufwacht, gibt es keinen Plan B?
Das war von Anfang an eine Zugabe. Wir haben die Mission so geplant, dass man alles, was man machen will, in den ersten zweieinhalb Tagen erledigen kann. Das haben wir gemacht. Das heisst, was immer kommt, ist eine Zugabe, wäre unglaublich interessant, aber alles andere wäre keine Katastrophe, das ist so erwartet worden.
Was war bisher das Überraschendste an den Bildern, die vom Kometen Tschuri gesendet worden sind?
Was ich sagen kann, ist, dass die Oberfläche sehr heterogen ist, dass es sehr weiche Bereiche gibt, das wusste man vorher, aber dass es auch sehr harte Bereiche gibt. Dass man unterschiedliche Einheiten – die fast so aussehen wie unterschiedliches Gestein, aber es ist kein Gestein – in unmittelbarer Nähe zueinander sieht. Die Oberfläche sieht genau so bizarr aus, wie der Komet aus der Entfernung – das hat uns alle überrascht.
Die Reise von Philae dauerte zehn Jahre. Gibt es noch Angst, dass es am Schluss überhaupt nicht klappt?
Es waren die emotional intensivsten drei Tage, an die ich mich erinnern kann – nicht nur für mich, sondern für alle hier. Auf der einen Seite wussten wir von Anfang an, dass es tollkühn ist, auf einem Kometen zu landen. Und wir wussten von Anfang an, dass es eine grosse Wahrscheinlichkeit gibt, dass es nicht klappt. Und wir waren trotzdem alle sehr stolz und zuversichtlich, weil der Lander ein sehr gutes Design hat und sehr robust ist. Als es geklappt hat, war die Freude natürlich riesengross, das ist ganz klar.
Gab es für Sie einen persönlichen Erfolg?
Der grösste Erfolg war vielleicht unerwartet: Wie gut die einzelnen Instrumente und die Instrumenten-Teams miteinander gearbeitet haben. Und dass man in den Daten verschiedener Instrumente Ergebnisse hat, die sich gegenseitig unterstützen. So etwas ist immer sehr gut.
Was tun Sie, bis Philae möglicherweise wieder erwacht?
Wir können die Daten auswerten und publizieren. Danach denke ich werden wir uns auf andere Projekte konzentrieren und einfach hoffen, dass der Lander im nächsten Frühjahr wieder aufwacht. Dann gilt es spontan zu reagieren und zu überlegen, was man tun kann, und was man tun will.