Von 43 Prozent auf 33 Prozent innert 40 Jahre. Das sind die nüchternen Zahlen zur Stimmbeteiligung an den Zürcher Kantonsratswahlen. Der Wert aus dem Jahr 2015 entspricht einem Allzeittief. Und hat die BDP alarmiert.
Es sei «erschreckend», und diese tiefe Beteiligung verzerre die Wahl- und Abstimmungsergebnisse, sagt BDP-Fraktionspräsident Marcel Lenggenhager gegenüber dem «Regionaljournal Zürich Schaffhausen». Deshalb will seine Partei die Stimmpflicht wiedereinführen, wie sie in Zürich bis 1984 galt.
In Schaffhausen Busse verdoppelt
In der frühen Eidgenossenschaft kannten die meisten Kantone ein solches Obligatorium. Im 20. Jahrhundert haben aber alle die Stimmpflicht abgeschafft – bis auf Schaffhausen.
Im Grenzkanton gilt bis heute: Wer nicht wählt, der büsst. Auf 2015 wurde die Busse für Nicht-Wähler gar von drei auf sechs Franken verdoppelt. Allerdings nicht, um die Urnen-Abstinenzler stärker zu sanktionieren, sondern um die Kosten, welche den Gemeinden durch die Kontrolle entstehen, besser zu decken.
Und tatsächlich scheint dieses Mittel zu wirken. In Schaffhausen liegt die Beteiligung an Urnengängen deutlich über dem Schweizer Durchschnitt.
Die Stimmbeteiligung im Vergleich
Schaffhausen | Zürich | Schweizer Durchschnitt | |
Nationalratswahlen 2015 | 63% | 47% | 49% |
Nationalratswahlen 2011 | 61% | 47% | 49% |
Nationalratswahlen 2007 | 65% | 49% | 48% |
Nationalratswahlen 1979 | 75% | 46% | 48% |
Und doch gehen auch im nördlichen Kanton die Werte seit den 1970er-Jahren zurück. Ausserdem ist Stefan Bilger, als Schaffhauser Staatschreiber zuständig für Wahlen und Abstimmungen, überzeugt, dass nicht die Busse für die überdurchschnittlichen Werte sorgt: «Die Sanktion ist wohl nicht der Grund. Sondern das Pflichtbewusstsein, sich an Wahlen und Abstimmungen zu beteiligen.»
Die seit 1892 geltende Stimmpflicht sei von der Bevölkerung quasi verinnerlicht worden. Ausserdem helfe es auch, dass die Abstimmungen über Sachthemen im kleineren Kanton Schaffhausen den Leuten näher sind als beispielsweise in Zürich.
Bringt es auch den gewünschten Effekt?
Stefan Bilger ist denn auch skeptisch, ob eine Stimmpflicht im Kanton Zürich die Beteiligung erhöhen würde. «Die Gleichung, dass man durch ein Obligatorium einen sprunghaften Anstieg der Stimmbeteiligung verzeichnet, geht meiner Meinung nach nicht auf.» Solche Prozesse bräuchten Zeit.
Und nicht nur aus Schaffhausen hört man solche Töne. Auch der Zürcher Regierungsrat hat sich im vergangenen Jahr auf eine ähnliche Anfrage der CVP gegen eine Wiedereinführung der Stimmenpflicht geäussert. Abstimmen und Wählen, so die Regierung, solle eben gerade kein Zwang bedeuten, sondern das Recht und die Möglichkeit, am politischen Geschehen teilzunehmen.
Der Regierungsrat setzt stattdessen auf E-Voting. Mittels dieses Abstimmens über das Internet sollen mehr Leute – gerade die Jüngeren – an die (digitale) Urne gelockt werden.
(sted; Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 06:32 Uhr)