Der 41-jährige Hilfsarbeiter Ernst Suter aus Dürnten steht mit jeglichem Papierkram auf Kriegsfuss. Er ist Legastheniker, kann kaum lesen und schreiben. Steuererklärungen füllt er deshalb seit Jahren nicht aus. Auf der Suche nach Hilfe bleibt er lange erfolglos. Aus Scham, und weil er sich nicht mehr zu helfen weiss, bezahlt er die Rechnungen des Steueramtes. Diese werden jedoch immer höher.
Ombudsfrau Claudia Kaufmann von der Stadt Zürich hat noch nie von einem solchen Fall gehört. «Es ist ein krasser Ausreisser.» Sie findet aber, dass die Gemeinde Dürnten früher hätte hellhörig und aktiv werden müssen: «Man wird in dieser Gemeinde nicht so viele Menschen haben, die keine Steuererklärung einreichen.»
Fatale Konsequenzen
Roger Keller, Mediensprecher der Zürcher Finanzdirektion, erklärt das Vorgehen der Gemeinde: Fülle jemand keine Steuererklärung aus, sei die Gemeinde gesetzlich verpflichtet, den Steuerpflichtigen einzuschätzen. «Sind gar keine Akten vorhanden, ist dies sehr schwierig», so Keller.
Wichtig sei für das Steueramt, dass diese Personen keinen Vorteil geniessen und sie gegenüber pflichtbewussten Bürgerinnen und Bürgern gleichgestellt seien. Füllt jemand keine Steuererklärung aus, wird sein Einkommen also tendenziell höher eingeschätzt.
Im Fall von Ernst Suter erreichen die Einschätzungen jedoch ein absurdes Mass: Wird der Hilfsarbeiter 2001 noch mit 70'000 Franken eingestuft, was seinem realen Einkommen entspricht, sind es 2008 bereits 160'000 Franken. Der Höhepunkt 2012: 480'000 Franken. Die finanziellen Konsequenzen sind fatal: Heute steht Suter vor dem Konkurs.
Gemeinde sucht das Gespräch
Hubert Rüegg, Gemeindepräsident von Dürnten, verteidigt das Vorgehen der Gemeinde. Es sei unmöglich, bei 5000 Steuerpflichtigen auf Einzelfälle einzugehen. Ausserdem habe sich Herr Suter nie beschwert und die Rechnungen immer bezahlt. Ein Gesuch um Steuererlass hat die Gemeinde deshalb abgelehnt.
Erst jetzt, wo der Fall durch «Beobachter TV» auf SRF publik wurde, scheint man bei der Gemeinde umzudenken. Man wolle eine Lösung suchen, sagt Hubert Rüegg auf Anfrage des «Regionaljournal Zürich Schaffhausen». Erste Gespräche sollen Anfang Dezember stattfinden.