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«Was für andere Normalität ist, ist für uns etwas Besonderes.»
Aus DOK vom 10.01.2019.
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Sozialhilfe unter Druck Wie viel darf man haben?

Für die Ärmsten im Land wurde sie einst gegründet, die Sozialhilfe. Heute steht sie unter Beschuss. Treibende Kraft ist die SVP, sie will die Leistungen in der Sozialhilfe kürzen. Was steckt dahinter und was heisst das für die Betroffenen?

Karin de Roche ist 44 Jahre alt, alleinerziehende Mutter von vier Kindern und Sozialhilfebezügerin. Nie hätte sie gedacht, dass es sie treffen würde, sagt sie.

Es kann sehr schnell gehen und Menschen wie wir, wie meine Familie, verschwinden einfach.
Autor: Karin de RocheSozialhilfeempfängerin

Karin de Roche lebt auf dem sozialen Existenzminimum. Sie hat kein Vermögen, ist steuerbefreit und bekommt Krankenkasse und Miete bezahlt. Die Alimente für die Kinder verwaltet ihre Wohngemeinde. Im Gegenzug erhält sie den sogenannten Grundbedarf fürs tägliche Leben. Für eine fünfköpfige Familie sind das 2380 Franken pro Monat.

Eine Arbeitsgruppe der SVP will diesen Betrag um 30 Prozent kürzen. So hätte eine Einzelperson künftig nur noch 690 statt 986 Franken für den Grundbedarf.

Nur wer sich anstrengt, bekommt wieder mehr

Therese Schläpfer, Gemeindepräsidentin von Hagenbuch im Kanton Zürich, ist Teil dieser SVP-Arbeitsgruppe. «Es hat zu viele Leute in der Sozialhilfe, die es sich darin bequem machen», sagt sie. «Ein gekürzter Grundbedarf würde den Reiz erhöhen, wieder arbeiten zu gehen.»

Therese Schläpfer, Gemeindepräsidentin (SVP) von Hagenbuch
Legende: Therese Schläpfer, Gemeindepräsidentin (SVP) von Hagenbuch im Kanton Zürich. Sie will bei der Sozialhilfe kürzen. SRF

Ein entsprechender Kürzungsvorstoss wurde im Kanton Basel-Landschaft eingereicht und vom Parlament knapp gutgeheissen. Bern hat als erster Kanton den Grundbedarf bereits um acht Prozent gesenkt.

Opposition gegen Kürzungsbeschluss in Bern

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Im Kanton Bern hat das Kantonsparlament eine Kürzung des Grundbedarfs um 8 Prozent gutgeheissen. Bei vorläufig Aufgenommenen, jungen Erwachsenen und Personen ohne Deutsch- oder Französischkenntnisse wird der Grundbedarf gar um 15 bis 30 Prozent gesenkt.

Gegen diese Kürzungen gibt es Opposition: Über 16'000 Bernerinnen und Berner haben einen Volksvorschlag unterschrieben, der den Grundbedarf wieder heben will. Über den Volksvorschlag wird frühestens im Mai 2019 abgestimmt.

«Bei den sozial Schwächsten wird im Moment einfach gekürzt, ohne dass man hinschaut», sagt Felix Wolffers, Co-Präsident der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) und Chef des Sozialamts Bern.

Felix Wolffers, Leiter des Sozialdienstes der Stadt Bern
Legende: Felix Wolffers, Leiter des Sozialdienstes der Stadt Bern. Er kritisiert die Kürzungspläne in der Sozialhilfe. SRF

Er wehrt sich gegen die Kürzungspläne und verweist auf das Sanktionssystem in der Sozialhilfe: Wer nicht kooperiert, muss schon heute mit Leistungskürzungen von bis zu 30 Prozent rechnen.

Forderungen von Gemeinden werden bereits durchgesetzt

Monika Senn leidet unter chronischen Schmerzen und war deswegen schon sieben Jahre in der Sozialhilfe, als ihre Wohngemeinde Oberentfelden neue medizinische Abklärungen verlangte – per Verfügung.

Das Sozialamt verlangte neu monatliche Arbeitsunfähigkeitszeugnisse. Es will wissen, ob Senn wirklich nicht arbeiten kann und verlangt, dass sie in eine günstigere Wohnung zieht. Als wir Senn treffen, kommt sie direkt von einer grossen rheumatologischen Untersuchung am Kantonsspital Aarau.

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«Ich bin überzeugt, die wollen einfach, dass ich aus dem Dorf ziehe, damit sie Kosten sparen können.»
Aus DOK vom 10.01.2019.
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Solche Konflikte zwischen Sozialamt und Sozialhilfeempfänger sind typisch. Deshalb will Therese Schläpfer eine Umkehr des Systems. «Es ist für uns als Gemeindebehörde sehr mühsam und harzig, wenn wir jemandem Leistungen kürzen wollen. Viel praktischer und fairer ist es, den Grundbedarf von Beginn weg zu kürzen.»

Baselland und Aargau für «Motivationsbonus»

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In den Kantonen Baselland und im Aargau sind Vorstösse überwiesen worden, die eine Senkung des Grundbedarfs um 30 Prozent fordern. Nur wer «integrationswillig, engagiert und motiviert» ist, soll auf 100 Prozent kommen.

Der Ball liegt nun bei den Kantonsregierungen. Sie müssen eine Vorlage ausarbeiten und darin definieren, wie Integrationswille und Motivation gemessen werden können.

Ein zweiter Vorstoss zur Sozialhilfe fordert in den Kantonen Aargau und Baselland, dass nur noch jene Bürger die volle Sozialhilfe bekommen sollen, die lange gearbeitet und Steuern bezahlt haben. Damit würden junge Menschen und Ausländer benachteiligt. Diese Idee wurde in beiden Kantonen nur in der unverbindlichen Form des Postulats überwiesen.

Die Gemeinden wollen mehr Handlungsspielraum, die Sozialhilfeempfänger fühlen sich kollektiv abgestraft und der Finanzdruck macht sie zu Gegenspielern. Wie viel ein Sozialhilfebezüger haben darf, wird in den Kantonen entschieden. In diesem Jahr stehen wegweisende Entscheide an.

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Sozialhilfe unter Druck – Wie viel reicht zum Leben?
Aus DOK vom 10.01.2019.
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