Karin de Roche ist 44 Jahre alt, alleinerziehende Mutter von vier Kindern und Sozialhilfebezügerin. Nie hätte sie gedacht, dass es sie treffen würde, sagt sie.
Es kann sehr schnell gehen und Menschen wie wir, wie meine Familie, verschwinden einfach.
Karin de Roche lebt auf dem sozialen Existenzminimum. Sie hat kein Vermögen, ist steuerbefreit und bekommt Krankenkasse und Miete bezahlt. Die Alimente für die Kinder verwaltet ihre Wohngemeinde. Im Gegenzug erhält sie den sogenannten Grundbedarf fürs tägliche Leben. Für eine fünfköpfige Familie sind das 2380 Franken pro Monat.
Eine Arbeitsgruppe der SVP will diesen Betrag um 30 Prozent kürzen. So hätte eine Einzelperson künftig nur noch 690 statt 986 Franken für den Grundbedarf.
Nur wer sich anstrengt, bekommt wieder mehr
Therese Schläpfer, Gemeindepräsidentin von Hagenbuch im Kanton Zürich, ist Teil dieser SVP-Arbeitsgruppe. «Es hat zu viele Leute in der Sozialhilfe, die es sich darin bequem machen», sagt sie. «Ein gekürzter Grundbedarf würde den Reiz erhöhen, wieder arbeiten zu gehen.»
Ein entsprechender Kürzungsvorstoss wurde im Kanton Basel-Landschaft eingereicht und vom Parlament knapp gutgeheissen. Bern hat als erster Kanton den Grundbedarf bereits um acht Prozent gesenkt.
«Bei den sozial Schwächsten wird im Moment einfach gekürzt, ohne dass man hinschaut», sagt Felix Wolffers, Co-Präsident der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) und Chef des Sozialamts Bern.
Er wehrt sich gegen die Kürzungspläne und verweist auf das Sanktionssystem in der Sozialhilfe: Wer nicht kooperiert, muss schon heute mit Leistungskürzungen von bis zu 30 Prozent rechnen.
Forderungen von Gemeinden werden bereits durchgesetzt
Monika Senn leidet unter chronischen Schmerzen und war deswegen schon sieben Jahre in der Sozialhilfe, als ihre Wohngemeinde Oberentfelden neue medizinische Abklärungen verlangte – per Verfügung.
Das Sozialamt verlangte neu monatliche Arbeitsunfähigkeitszeugnisse. Es will wissen, ob Senn wirklich nicht arbeiten kann und verlangt, dass sie in eine günstigere Wohnung zieht. Als wir Senn treffen, kommt sie direkt von einer grossen rheumatologischen Untersuchung am Kantonsspital Aarau.
Solche Konflikte zwischen Sozialamt und Sozialhilfeempfänger sind typisch. Deshalb will Therese Schläpfer eine Umkehr des Systems. «Es ist für uns als Gemeindebehörde sehr mühsam und harzig, wenn wir jemandem Leistungen kürzen wollen. Viel praktischer und fairer ist es, den Grundbedarf von Beginn weg zu kürzen.»
Die Gemeinden wollen mehr Handlungsspielraum, die Sozialhilfeempfänger fühlen sich kollektiv abgestraft und der Finanzdruck macht sie zu Gegenspielern. Wie viel ein Sozialhilfebezüger haben darf, wird in den Kantonen entschieden. In diesem Jahr stehen wegweisende Entscheide an.