Stephan Brülhart - Wie ich die Pop-Schlager-Show in Szene setze
Am Donnerstag, 25. November 2021 ist es wieder soweit: Wir zeichnen die Pop-Schlager-Sendung «Hello Again!» auf. Zu sehen ist sie am 25. Dezember um 20.10 Uhr auf SRF 1. Natürlich erwartet das Publikum eine richtig gute Show. Mein Part als Regisseur ist es, dafür zu sorgen, dass es auch eine wird.
Eine Show wie «Hello Again!» ist für mich vor allem eines: Teamarbeit. Allein bei der Aufzeichnung sind etwa 60 Mitarbeitende vor Ort im Studio 1 in Zürich Leutschenbach. Darunter Kameraleute, Ton- und Lichttechniker, Redaktoren, Produzentinnen, Regieassistent, Aufnahmeleiterin, Tänzerinnen und Tänzer sowie Moderatorin Viola Tami. Dazu kommen noch prominente Gäste, die beim Lip-sync-Wettbewerb gegeneinander antreten, sowie die Musikgrössen, die auf der Bühne performen.
Bei «Hello Again!» dreht sich alles um Musik. Die Dramaturgie der ganzen Show ist gesetzt von der Redaktion, die sich genau überlegt, welche Songs und Gäste in welcher Reihenfolge kommen. Zu jedem Programmpunkt hat sie eine Vorstellung, was sie «rüberbringen» möchte, mal eine verträumte Winterlandschaft, mal eine modern-geometrische Kulisse. Und als Regisseur inszeniere und visualisiere ich das mit gestalterischen Mitteln wie Lichteffekten, Kameraführung, Bühnenbild und Schnittrhythmus.
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Video
Die Pop-Schlager Show 2020 mit den Büetzer Buebe
Aus Hello Again! Die Pop-Schlager-Show vom 07.11.2020.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 9 Sekunden.
Insgesamt will ich natürlich einen «guten Fluss» in der Sendung, dass es schöne Übergänge gibt, dass es unterhaltsam ist und insgesamt «showig» wirkt. Dafür setze ich zum Beispiel auch einen Kamerakran ein oder eine Steadycam, die verwacklungsfreie Kamerafahrten ermöglicht. Oder sogar mal Feuerwerk.
Ob ein Solist oder eine Gruppe auftritt
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Tritt ein einzelner Künstler auf oder spielt eine Band? Andrea Berg zum Beispiel singt meist alleine und läuft dabei auf der Bühne herum. Dann setze ich den Fokus mehr aufs Publikum, das mitsingt, spontan mitklatscht, ich zeige die Fans und versuche zwischen ihnen und der Künstlerin ein Vis-a-vis zu erzielen. Ausserdem setze ich auf Kamerafahrten, damit die Person nicht in der Weite der Bühne untergeht. Denn selbst wenn Andrea Berg eine gute Bühnenpräsenz hat, ist sie doch solo auf der Bühne.
Ganz anders ist es, wenn eine Gruppe spielt wie die Pepe-Lienhard-Band, die übrigens bei der nächsten Show auch dabei ist. Dann werde ich viel mehr auf Instrumente setzen, auf den Dirigenten, also Pepe, oder die einzelnen Musiker:innen. Da habe ich viele Motive.
Um frischer zu wirken
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Als Regisseur trage ich Verantwortung dafür, dass die Menschen im Bild gut aussehen. Da kann es auch mal helfen, mit der Kamera nicht so nah an ein Gesicht heranzuzoomen. Klare Vorgaben gibt es aber immer wieder von Künstlerseite: Manche Sängerinnen wollen sehr hell ausgeleuchtet sein. Denn mit viel Licht sieht man frischer aus.
Penibel vorbereitet
Die Regieassistentin unterstützt mich bei meiner Arbeit. Sie bereitet das Material auf, das die Redaktion bereitstellt: zum Beispiel Liedtexte oder die Bühnenaufstellung der Bands. Wann fängt das Lied an? In welcher Sekunde der Gesang? Denn dazu lege ich jeweils die passenden Kameraeinstellungen fest, bis ich zum Schluss eine präzise Schnittabfolge habe. In einem Musikstück können das bis zu 40 Einstellungen sein. Jede Kamera hat eine Vorgabe, damit wir bei der Aufzeichnung alles ziemlich schnell umsetzen können und bei den Proben nicht zu viel Zeit verlieren.
Alle Angaben zur gesamten Show halten wir im sogenannten Livebuch fest. Es umfasst bei «Hello Again!» in der Regel rund 150 Seiten und enthält etwa 80 einzelne Ablaufpunkte wie Moderation, Talk, Einspielfilm, Bühnenauftritt. Wo findet was wann mit wem statt – und wie? Das Livebuch ist unser Ablaufplan, der für alle gilt.
Mir ist aber dennoch wichtig, nicht die ganze Sendung en détail durchzuplanen. Gerade bei Kurz-Talks mit den Musikerinnen und Musikern reagiere ich lieber spontan, arbeite mit dem Moment. Oft entwickeln sich komödiantisch angehauchte Kurz-Talks, da kann es hier und da noch einen Lacher geben. Manchmal kommt es auch ganz anders als gedacht. Da will ich einfach die Offenheit behalten.
Proben, Proben, Proben
Bereits in der Vorwoche der Aufzeichnung ist das Dekor im Studio 1 in Zürich Leutschenbach für «Hello Again!» aufgebaut. Dann wird mehrmals und in unterschiedlicher Zusammensetzung geprobt. Mal mit Statist:innen, mal mit den Stars, mal nur mit der Moderatorin. Unverzichtbar ist auch der technische Durchlauf, der zeigt, ob das Timing passt. Klappt der Umbau während des dreiminütigen Einspielers? Wenn die Zeit nicht reicht, müssen wir eine Lösung finden.
Bei der Generalprobe sind alle dabei, auch in Kostüm und Maske. Das ist ein Eins-zu-Eins-Durchlauf – allerdings mit Kürzungen, damit wir es zeitlich schaffen. Ganz wichtig ist die nachfolgende Auswertung. Hier kann ich noch auf mögliche Fehler hinweisen oder letzte Änderungswünsche einbringen. Logisch: Im besten Fall läuft die Generalprobe aufgrund der vorangehenden Proben so stabil, dass es nicht mehr viel zu besprechen gibt.
Der Countdown läuft
Noch eine Minute bis zur Aufzeichnung. Ich sitze mit der Bildmischerin, der Produzentin, dem Bildtechniker und der Bildoperateurin in der Regie. Die verschiedenen Kamerabilder vor mir auf den Bildschirmen. Bei mir laufen alle Fäden zusammen, jede und jeder weiss, was zu tun ist. Und ich muss den Überblick behalten.
Wir sind alle über Funk verbunden. Da gibt’s unterschiedliche Verbindungen, etwa zur Aufnahmeleitung, die mein Sprachrohr ins Studio ist. Sie gibt das Zeichen. Jetzt geht es noch eine Minute. Achtung, zehn Sekunden … und zum Start gebe ich durch: «Signet läuft», «Applaus top», «Auftritt top».
Die Anspannung ist hoch, klar, doch hier hilft mir die Routine. Ich muss schauen, muss fragen und hören. Ist die Bühne bereit? Ist die Band bereit? Ich gebe eigentlich immer die Initialzündung für alles, was passieren muss, auch was synchron mit anderen Dingen passieren muss.
Über Funk führe ich die Kolleginnen und Kollegen durch die Aufzeichnung. «Gut gemacht.» «Jetzt haben wir noch die Hälfte der Sendung vor uns.» «Bald müssen wir die Kameras zügeln, das ist zeitlich knapp und bitte bleibt dran.» Ich verliere auch selten Worte darüber, wenn etwas schief ging. Denn das ist eigentlich tabu. Was passiert ist, kann man ja nicht mehr ändern. So ist Live-Fernsehen.
Was glücklicherweise selten passiert
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Pannen gibt’s erstaunlich wenig! Aber klar, sie lassen sich nicht komplett verhindern. Zum Beispiel kanns Flüchtigkeitsfehler geben, jemand spielt den falschen Einspieler ab oder ein Mikrofon ist nicht rechtzeitig offen.
Was ebenfalls mal vorkommen kann: dass das Computersystem plötzlich hängt und keine Einspieler oder Einblendungen mehr gestartet werden können. Bei einer Aufzeichnung ist das nicht so schlimm, dann wird eben kurz unterbrochen, um das System neu hochzufahren. Bei einer Livesendung muss es allerdings weitergehen – das heisst: improvisieren und mit Hochdruck an der Behebung des Problems arbeiten.
Am schlimmsten sind jedoch gesundheitliche Zusammenbrüche. Das hatte ich zwar nie bei «Hello Again!», aber bei einer anderen Sendung. Da heisst es natürlich sofort: Kamera wegschwenken. Und für solche Vorkommnisse gibt’s Notfallpläne. Jede und jeder weiss, was sie oder er im Fall zu tun hat.
Schlussapplaus
Gelungen ist die Regie, wenn das Team funktioniert, wenn jede und jeder im richtigen Moment macht, was sie oder er machen müsste. Und wenn die Show lebendig rüberkommt und schön gestaltet ist, wenn alles synchron ist und es keine Fehlstarts gibt. Mal für Mal bin ich beeindruckt von der Gesamtleistung! So eine Produktion ist zwar schon auch immens viel Arbeit, dauernd unter Zeitdruck. Doch der Aufwand lohnt sich: weil – wie ich finde – alles in allem immer wieder eine richtig gute Show herauskommt.
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