Zu bedauern ist er nicht. Denn Aussenseiter Stefanos Tsitsipas (ATP 5) kann in seinem ersten Grand-Slam-Endspiel der Karriere nur gewinnen, kaum aber verlieren. Am Sonntagnachmittag wartet an der Seine bei seiner Premiere die ultimative Herausforderung: Novak Djokovic, die Weltnummer 1.
Und der Serbe ist nach seinem Halbfinal-Coup über den 13-fachen Paris-Champion Rafael Nadal zusätzlich angestachelt, wirkt unverwundbar. Er hat sich nach harzigen Matches in den Runden zuvor über 5 bzw. 4 Sätze und je rund dreieinhalb Stunden gegen den Mallorquiner nach blassem Auftakt in einen Rausch gespielt.
Die auseinanderdriftenden Kennzahlen dieses auf dem Papier anmutenden David-vs.-Goliath-Vergleichs:
- Djokovic hat als «ewige Nummer 3» schon 18 Grand-Slam-Trophäen eingeheimst. Tsitsipas steht wie geschrieben in seinem 1. Major-Final, hat als erste grosse Trophäe erst den ATP-Finals-Pokal von 2019 vorzuweisen.
- Der Branchenleader bestreitet seinen 96. Match bei Roland Garros. Er nimmt zum 17. Mal teil, während der Grieche zum 5. Mal antritt.
- Djokovic steht bei 83 Karriere-Titel, sein Herausforderer bei deren 7.
Die Liste könnte beliebig verlängert werden. Auch das Head-to-Head (5:2) spricht für den Favoriten. Der 22-jährige Athener hatte den Serben zwar schon zweimal bezwingen können – 2018 beim allerersten Aufeinandertreffen in Toronto und im Folgejahr ebenfalls bei einem ATP-1000-Event in Schanghai.
Die letzten 4 Duelle gingen aber allesamt an den Weltranglisten-Ersten, die jüngsten beiden Rendezvous fanden auf Sand statt.
Der Warnschuss im Paris-Halbfinal 2020
Trotzdem gibt es Grund zur Hoffnung für Tsitsipas. Er gewann heuer gleich viele Turniere wie «Djoker» – je auf Sand in Monte Carlo und Lyon gegenüber den Erfolgen bei den Australian Open und in Belgrad (ebenfalls Sand) für seinen Antipoden.
Und er war im Vorjahr an der Porte d'Auteuil dicht dran an Djokovic. Im Halbfinal hatte er einen 0:2-Satz-Rückstand wettgemacht, ehe er beim 3:6, 2:6, 7:5, 6:4, 1:6 dann aber doch abreissen lassen musste. 8 Monate liegt dieser Fight erst zurück.
Mut schöpft Tsitsipas bei der schnellen Chance zur Revanche möglicherweise auch daraus, dass Djokovics Finalbilanz in der französischen Metropole mässig ist. In 5 Anläufen resultierte erst 1 Titel.
Djokovics Final-Teilnahmen in Paris
Jahr | Gegner | Resultat |
---|---|---|
2012 | u. Rafael Nadal (ESP) | 4:6, 3:6, 6:2, 5:7 |
2014 | u. Rafael Nadal (ESP) | 6:3, 5:7, 2:6, 4:6 |
2015 | u. Stan Wawrinka (SUI) | 6:4, 4:6, 3:6, 4:6 |
2016 | s. Andy Murray (GBR) | 3:6, 6:1, 6:2, 6:4 |
2020 | u. Rafael Nadal (ESP) | 0:6, 2:6, 5:7 |
Auch dieser Fakt dient dem Underdog als Strohhalm: Djokovic hatte Nadal in Paris schon einmal sensationell ausgeschaltet, vor 6 Jahren in 3 Sätzen im Viertelfinal. Im Endspiel verliessen ihn dann die Kräfte – und Stan Wawrinka fügte ihm damals auf der roten Asche die 3. Final-Pleite in Serie zu.
Aller Anfang ist eben schwer ... Muss sich dies Tsitsipas nach seinem Debüt in einem Major-Final ebenfalls sagen oder aber widerlegt er dieses Sprichwort?