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Stammzellentherapie
Aus Puls vom 12.05.2014.
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Gesundheit Stammzellen-Therapie – Medizin im Blindflug

Stammzellen gelten als grosse Hoffnungsträger in der Medizin. Mit ihnen könnten dereinst schwere Krankheiten wie Parkinson, ALS oder Querschnittlähmung geheilt werden. Davon ist die Forschung noch weit entfernt, trotzdem bieten einige Kliniken bereits heute solche Therapien an.

Mit dem Schlagwort «Stammzellen» stossen Patienten auf vielversprechende Angebote auf dem Internet. Dutzende von Anbietern versprechen Heilung schwerster Krankheiten wie Parkinson, Amyotrophe Lateralskleros (ALS), Multipler Sklerose, Querschnittlähmung etc.

Verschiedene Patienten, die davon betroffen sind, berichten im Netz über ihre wundersame Heilung. Eine Frau, die vor kurzem noch an einer Nervenkrankheit litt, demonstriert in einem solchen Werbefilm, wie sie seit der Stammzellen-Therapie wieder ihre Arme und Beine bewegen kann.

Diese eindrücklichen Bilder und Bezeugungen von Direktbetroffenen machen Eindruck und schüren Hoffnung bei schwer kranken Menschen.

Letzter Strohhalm

In ihrer Verzweiflung lassen sich die Patienten in China, in der Ukraine, in Österreich oder dem Libanon Stammzellen injizieren. Die Kosten variieren je nach Destination und Aufenthaltsdauer zwischen 10’000 und 40’000 Franken. Meist werden dem Patienten dabei adulte Stammzellen entnommen, vervielfältigt und dann wieder zurückgespritzt – in der Hoffnung, dass die Zellen eine heilende Wirkung entfalten.

Die Wirksamkeit solcher Therapien ist in den allermeisten Fällen nicht nachgewiesen. Trotzdem, der Einsatz von moderner Technik und der Hoffnungsträger «Stammzelle» verleiht eine Aura der etablierten Akzeptanz. «Dahinter verbirgt sich aber ein lukratives Geschäft mit der Not von Patienten», mahnt Stammzellen-Forscher Armin Curt vom der Uniklinik Balgrist in Zürich. «Solche Zellen können – auch wenn es sich um körpereigene Zellen handelt – allergische Reaktionen hervorrufen, wenn sie nicht sachgerecht behandelt werden. Jeder Eingriff stellt zudem ein Risiko dar, auch die Entnahme und Rückgabe. Zum Beispiel für Infektionen, insbesondere, wenn der Eingriff nicht professionell durchgeführt wird».

Im besten Fall nutzlos

Armin Curt hat sieben querschnittgelähmte Patienten vor und nach einer solchen Therapie untersucht. Das Fazit: Mehr als die Hälfte der Patienten hatte mit Komplikationen wie Hirnhautentzündung oder einer Infektionen zu kämpfen. Keiner wurde längerfristig von der Querschnittlähmung geheilt. «Im besten Fall nützen solche Therapien nichts, im schlimmsten Fall können sie aber Tumore verursachen», warnt der Neurologe, der selber eine vom Bund streng geprüfte Stammzellen-Forschung betreibt. «Heute ist man erst in der Phase, in der untersucht wird, dass Stammzellen für den Patienten verträglich sind und keine Verschlechterung seiner Krankheit anrichten. Von einer Heilung mit Stammzellen ist die Forschung noch weit entfernt».

«Kliniken, die das Gegenteil behaupten, sind unseriös», doppelt Neurologe Markus Weber, Leiter der ALS-Clinic im Kantonsspital St. Gallen nach. «Solche Anbieter sind Scharlatane, sie spielen mit der Hoffnung von schwer kranken Menschen. Das ist moralisch verwerflich.» Einmal pro Monat bekommt er eine Anfrage von ALS-Patienten, die einen solche Eingriff im Ausland machen möchten. Er glaubt zu beobachten, dass die Angebote sogar zunehmen.

Vorsicht ist geboten, wenn...

...eine Klinik oder ein Arzt in erster Linie eigene Patienten zu Wort kommen lässt und diese über die Vorteile der Behandlung schwärmen. Einzelfälle können kein schlüssiges Bild über die Wirksamkeit einer Therapie liefern. Seriöse Anbieter verweisen auf die medizinische Fachliteratur und auf entsprechende klinische Studien.
...Mediziner adulte Stammzellen an einem anderen Ort einsetzen möchten, als sie ursprünglich entnommen worden sind. Adulte Stammzellen sind in ihrer Fähigkeit begrenzt: Blut-Stammzellen können zum Beispiel nur noch die Zellen des Blutsystems bilden, Hirn-Stammzellen nur noch Nervenzellen etc. Es gibt derzeit keine Hinweise darauf, dass Blut-Stammzellen plötzlich Nervenzellen produzieren könnten.
...die Behandlung mehrerer Erkrankungen mit der gleichen Methode/mit den gleichen Zellen möglich sein soll.
...aus der Beschreibung der Zellen nicht klar wird, woher die Zellen stammen und wie sie bearbeitet werden.
...behauptet wird, die Therapie beinhalte keine Risiken.
...die Teilnahme an einer klinischen Studie kostenpflichtig sein soll. Eine Studienteilnahme ist im Allgemeinen kostenlos.

Stammzellforschung heute in der Schweiz

Zur Behandlung von Leukämien (Blutkrebs), Myelomen (Krebs des Knochenmarks) oder Lymphomen (Krebs im Lymphsystem) werden Stammzellen schon seit Jahrzehnten erfolgreich eingesetzt. Zudem können heute einige Knochen-, Haut- oder Hornhaut-Erkrankungen und Verletzungen (z. B. Verbrennungen) mit Gewebetransplantationen behandelt werden, die auf Stammzellen-Medizin basieren.

Laut dem Bundesamt für Gesundheit gibt es derzeit in der Schweiz aber noch keine zugelassenen Stammzell-Therapien gegen ALS, Alzheimer, Arthrose, Autismus, Diabetes, Herzinfarkt, Multiple Sklerose, Parkinson oder Rückenmarksverletzungen. Weltweit wird zwar intensiv geforscht und es werden im Rahmen klinischer Studien immer wieder Fortschritte erzielt, bis zur Zulassung solcher Stammzellen-Therapien durch eine Arzneimittelbehörde kann es jedoch noch Jahre dauern. Bevor Krankheiten so geheilt oder gelindert werden können, müssen Forscher erst besser verstehen, wie Stammzellen wirken und wachsen und wie sie eingesetzt werden können.

Auch das Bundesamt für Gesundheit rät von einer ungeprüften Stammzellen-Therapie im Ausland dringend ab. In der Schweiz dürfen nur solche Zentren Stammzellen-Therapien durchführen, die strenge Auflagen befolgen und vom Bundesamt für Gesundheit und der Ethikkommission eine Bewilligung haben.

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