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55 Jahre Einkaufszentrum Shopping-Paradies mit «Blutwurst» und Muhammad Ali

Einkaufen zum Erlebnis machen – mit diesem Ziel eröffnete am 12. März 1970 das erste grosse Einkaufszentrum der Schweiz.

«Wir bauen ein Paradies», wurde das erste Schweizer Shoppingcenter in ganzseitigen Inseraten angekündigt. Tatsächlich bot der Konsumtempel im aargauischen Spreitenbach bei seiner Eröffnung 1970 viel Zukunftsweisendes.

Das Einkaufszentrum sprengte jeglichen in der Schweiz damals üblichen Rahmen:

  • 25'000 Quadratmeter Verkaufsfläche
  • 60'000 Besucher ans Spitzentagen
  • 2300 Parkplätze
  • 50 Geschäfte

Muhammad Ali zu Weihnachten

Zur Idee der Gründer, Shopping zum Erlebnis zu machen, passte perfekt, dass am 22. Dezember 1971 Muhammad Ali nach Spreitenbach kam. Die Boxlegende verteilte ihre begehrte Unterschrift.

Erlebnisse im Shoppingcenter erhofften sich auch Jugendliche in ihrer Freizeit. Dieser Zeitvertrieb besorgte die Eltern. Eine Mutter klagte 1979: «Es hat wirklich ein Gesindel hier, was Kinder betrifft»

Suizide prägen Wohnraum

Zum damals neuartigen Baukonzept gehörte auch, dass Wohnungen ein Teil des Einkaufskomplexes waren. Das zum Shoppingcenter gehörende Hochhaus erhielt wegen zahlreicher Selbstmorde aber den Übernamen «Blutwurst».

Spreitenbach war als Standort gewählt worden, weil die Aargauer Behörden den Abendverkauf genehmigten und die nahe gelegene A1 das Einkaufen mit dem Auto begünstigte.

Ein unschönes Durcheinander

Doch nicht nur Kaufwillige kamen nach Spreitenbach. Die Ortschaft selbst wuchs rasant. 1960 wohnten im Bauerndorf nur 2000 Leute. Heute ist die Gemeinde über 12'000 Einwohner gross.

Architekt Walter Hunziker, der einst für das Spreitenbacher Shoppingcenter aus den USA in die Schweiz gezogen war, sah dessen Entwicklung 50 Jahre danach skeptisch: «Nun, wenn man es sich heute anschaut: Es ist nicht wirklich schön, es ist ein Durcheinander.»

Seinen Mängeln zum Trotz hat der heute als «Shoppi Tivoli» bekannte Komplex den Weg in die Gegenwart gemeistert – mit einem geschätzten Jahresumsatz von 400 Millionen Franken.

Ort amüsanter TV-Momente

Die Kameras von SRF fingen über die Jahre hinweg im Einkaufszentrum so manchen Moment ein, der einen zum Schmunzeln bringt.

Eine 1990 aufgestellte Kamera-Box wurde rege genutzt, um Frust loszuwerden. Er bereue jeden seiner 650 Diensttage im Schweizer Militär und schäme sich dafür, gestand zum Beispiel ein älterer Mann.

Kürzlich wollte das humoristische Format «Studio 404» ermitteln, wie die Leute im Shoppingcenter zu Klimaschutz, Gendern und Einwanderung stehen. Die lapidare Antwort einer jungen Passantin: «Solange es nicht in Spreitenbach passiert ...»

Tageschronik, Radio SRF 2 Kultur, 12.03.2025, 11:40 Uhr

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