Es sind entzückende Bilder: Der Bauer Josef Wiggli-Bruch aus Seewen SO trifft im Oktober 1994 auf ein junges Wildschwein. Jedes andere Wildtier wäre schon längst weggerannt, doch der kleine Wutz weicht nicht mehr von Josefs Seite. Genauer gesagt, weicht Hugo das Wildschwein nicht mehr von der Seite von Josefs Traktor.
Das drei Monate alte Säuli täppelt unter dem Traktor mit und hat das, was andere ein Leben lang suchen: Fame. Hugo wird zum Dorfgespräch, der Bauer erhält regelmässig Besuch und Anrufe.
Auch das Schweizer Fernsehen wird auf Hugo aufmerksam. In einem «10 vor 10»-Beitrag berichtet man über Hugo. Die Analyse: Das Rattern des Traktors lockt das Schwein an. Hugo sucht unter dem Traktor Schutz und Wärme. «Der Traktor ist für die kleine Wildsau ein Mutterersatz.»
Dass nur einen Tag nach dem Fernsehbeitrag Schluss mit der Säuli-Traktor-Vereinigung sein wird, kommt dann aber doch unerwartet.
Angebrochen ist der hugolose Alltag.
Wo ist Hugo?
Exakt zwei Wochen später doppelt das Schweizer Fernsehen nach. Über Hugo wird sowohl bei «10 vor 10», als auch bei «Schweiz aktuell» berichtet, denn: Hugo ist weg. Besonders «10 vor 10» berichtet dramatisch: «Heute zieht der Traktor die Bahnen über seine Felder einsam. Angebrochen ist der hugolose Alltag.»
Der Bauer zeigt sich sichtlich bestürzt. «Am Abend ist Hugo noch zu Besuch im Nachbardorf Himmelried gewesen. Dann hat man ihn wieder abgeholt mit dem grossen Traktor. Und seither haben wir nichts mehr von ihm gehört.» Danach seien sie «im Zügs umegfahre» und hätten nach Hugo Ausschau gehalten. Dabei hofften sie, dass die Traktorgeräusche Hugo anlocken würden – vergeblich. Die Anteilnahme ist gross. Warum? «Weil es etwas Seltenes ist», sagt der Bauer.
Ist Hugo auf dem Teller gelandet?
Am Ende des «Schweiz aktuell»-Beitrags stellt die Reporterin dann eine etwas zynische Frage: «Es ist gerade Jagdsaison. Haben Sie nicht Angst, dass das Säuli auf einem Teller gelandet ist?» Doch der Bauer glaubt nicht daran. «Ein Haufen Jäger ist vorbeigekommen, weil sie es nicht geglaubt haben.» Darum suchen sie in jeder freien Minute unermüdlich weiter nach dem verschwundenen Wildschwein.
Was letztendlich mit Hugo geschehen ist, bleibt offen. Im SRF-Archiv lassen sich keine weiteren Berichte über Hugo finden. Es ist davon auszugehen, dass das Wildschwein seinen Weg zurück in den Wald gefunden hat. Zurück bleiben Bauer Josef und die mitfiebernde Schweiz – in ihrem «hugolosen Alltag».
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