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Olympiasieger im Gespräch Podladtchikov: «Auf Social Media herrscht totale Anarchie»

Sanjia Ameti, Todessehnsucht und Wege zum Glück – Snowboarder Iouri Podladtchikov gibt Einblick in sein bewegtes Leben.

Auf seinen Olympiasieg 2014 folgten für Iouri Podladtchikov Jahre mit schweren Verletzungen, die ihn 2019 zum Rücktritt zwangen. Danach stürzte er sich in Kunst und Fotografie.

Jetzt kehrt Podladtchikov in die Halfpipe zurück. SRF 3 fragt bei ihm nach, warum es zu dieser Kehrtwende gekommen ist.

SRF 3: Wann warst du am glücklichsten?
Iouri Podladtchikov: Während der Gymi-Zeit wahrscheinlich. Aber wenn man Glück messen will, hat man eh ein Problem, das man nicht aussprechen will.

Wie meinst du das?
Messen ist immer auch Vergleichen – und es ist eine unserer unschönen Seiten, uns beim Bewerten immer an den anderen zu orientieren.

Der Mensch fühlt sich dort am lebendigsten, wo er mit dem Leben spielt.
Autor: Iouri Podladtchikov Halfpipe-Olympiasieger 2014

Bist du derzeit glücklich?

Glück ist ein sehr grosses und komplexes Thema. In einem Podcast habe ich gehört, dass es für Glück nur drei Dinge braucht: Gesellschaft, Freiheit und Selbstreflexion.

Lieferst du den Medien ein Bild von dir – oder kreieren die Medien ein Bild?

Bücher werden von jeder Person anders gelesen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass mich alle gleich sehen.

Bei welchen Themen ziehst du wegen möglichen Shitstorms die Handbremse?
Ich muss an Sanja Ameti denken. Religion ist ein sehr schwieriges Thema, zu dem ich keinen Kommentar abgeben würde.

Bedenkst du bei deinen Social-Storys also immer, was passieren könnte?
Ohne einen solchen Radar ist es wirklich gefährlich. Wenn man im Leben fahrlässig weder links noch rechts schaut, kommt es meistens nicht gut.

Was hast du bewusst nicht gepostet?
Ich kämpfe mehr damit, dass jeder mit Postings letztlich machen kann, was er will. Wo die Inhalte landen könnten, ist totale Anarchie. Dieser Aspekt macht mich zurückhaltend.

Ich nehme mir das Recht, mein Leben jetzt umzuschreiben.

Du hattest als Snowboarder zahlreiche schwere Verletzungen. Woher kam dein Wille, trotzdem stets weiterzumachen?
Die Antwort ist banal: Der Mensch fühlt sich dort am lebendigsten, wo er mit dem Leben spielt. Deshalb fahren wir schnell Auto und wollen fliegen. Es ist ein Spiel mit dem Feuer.

Dein Comeback ist quasi die Sehnsucht nach Adrenalin und Todesgefahr?
(Lacht) Bei mir ist es die Sehnsucht nach etwas anderem. Wenn ich meine Karriere wie ein Buch betrachte, gefällt mir das letzte Kapitel nicht mehr – und ich nehme mir das Recht, es jetzt umzuschreiben.

Angenommen, deine Karriere wäre ein 100-seitiger Roman, auf welcher Seite stünden wir jetzt?
Auf Seite 99.

Also Showdown?
Definitiv! Es geht nicht mehr um Erfolg, nur noch um den Ausklang.

Und wie soll dieser Ausklang aussehen?
Für mich ist es primär wichtig, dass ich wieder grosse Lust auf Snowboarden empfunden habe. Dem ordne ich alles unter und hoffe, dass es gut kommt.

Weshalb zieht es dich auch zur Kunst?
Mich haben Kunstwerke sehr früh stark berührt. So kam automatisch der Wunsch, selbst Kunst zu schaffen. Orte, wo Kunst erlebbar ist, sind für mich wie für andere Leute Kirchen.

Gibt es auch Momente, wo du etwas völlig Bodenständiges tun willst?

Ja, solche Impulse existieren. Als 2020 die Corona-Epidemie ausbrach, habe ich mich als freiwilliger Helfer gemeldet. Mit guten Jungs zusammen habe ich dann im Militär Plexiglas-Wände gebaut.

SRF 3, 3.2.2025, 20:03 Uhr ; 

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