Nach der Geburt ihrer Tochter Bella im April 2024 ist Belinda Bencic zurück auf dem Tenniscourt. Im Gespräch mit Urs Gredig erzählt die 27-Jährige von ihrer Mutterschaft, Emotionen im Profisport, Hasskommentaren und dem Nutzen von Sudokus.
SRF: 2024 war ein bewegtes Jahr, Sie sind Mutter geworden. In einem Interview sagten Sie, Sie hätten sich fast an ein normales Leben gewöhnt.
Damit meinte ich das Reisen. In einer normalen Tennissaison sind wir fast zehn Monate unterwegs. Das war jetzt ganz anders. Ich konnte meine Koffer auspacken, meine Sachen ordnen. Ich fand das sehr schön.
Wie ist es, wenn plötzlich ein neues Wesen da ist und alles durcheinander bringt?
Es ist die schönste Zeit unseres Lebens. Die Geburt von Bella hat mir geholfen, spontaner zu werden. Ich bin auf und neben dem Tennisplatz eine Perfektionistin. Es hilft mir extrem, dass ich Probleme jetzt erst löse, wenn sie auftreten und nicht vorher darüber nachdenke.
Ich bin 27, ich habe noch sehr viele gute Jahre vor mir.
Sie standen schon als Kleinkind auf dem Tennisplatz und haben als Juniorin das French Open und Wimbledon gewonnen. Hatten Sie nie das Gefühl, ihre Kindheit verpasst zu haben?
Ich werde das oft gefragt. Ich empfinde es nicht so. Ich hatte einen Freundeskreis, ging zur Schule, ins Schwimmbad. Ich reiste und trainierte viel. Das Tennis hat mir sehr vieles ermöglicht. Ich sehe es so: Mit etwa 35 Jahren bin ich fertig und kann dann chillen.
Sie haben lange mit Ihrem Vater trainiert.
Ja, mein Papa war von Anfang an immer dabei. Ich wurde oft gefragt, ob mein Vater nicht zu streng sei. Ich habe auch Schlagzeilen gesehen, dass ich zum Tennis gezwungen worden sei. Das Gegenteil war der Fall. Ich wollte selber Tennis spielen.
Auf dem Court ist man alleine mit seinen Emotionen. Was geht in solchen Momenten in Ihnen vor?
Ich habe zwei Persönlichkeiten. Neben dem Platz bin ich eine ruhige, aufgestellte Person. Auf dem Platz kann es richtig abgehen mit den Emotionen. An Tagen, an denen nichts läuft, ist es für mich extrem frustrierend. Dann gewinnen die Emotionen manchmal Überhand.
Ein ehemaliger Trainer von Ihnen hat einmal gesagt, Sie müssten aufhören, Ihr eigener Feind zu sein.
Ich habe viele Matches gegen mich selbst gekämpft. Das ist ein Thema, bei dem ich am meisten Fortschritte machen musste. Aber ich bin keine Person, die auf dem Platz ruhig wird. Ich habe diese Leidenschaft. Es ist mir nicht egal, wenn ich verliere.
Im Tennis verliert man in jedem Match unglaublich viele Punkte.
Ja, es ist ein Psychosport. Man kann in einem Match vorne liegen, Punkte gewinnen. Dann verliert man ein Game und das ganze Momentum ist weg. Meistens geht man als Loser aus einem Turnier. Man fühlt sich deprimiert. Das ist wahnsinnig schwierig.
Wie gehen Sie mit Hasskommentaren um?
Das ist ein schwieriges Thema. Das Wetten ist beim Tennis ein riesiges Business. Die meisten Hassnachrichten kommen von Leuten, die auf uns gesetzt haben und Geld verloren haben. Nach jedem Match prasseln tausende Messages auf Instagram ein.
Lesen Sie diese?
Nein, nicht mehr. An wichtigen Turnieren habe ich mein Handy ausgeschaltet. Manchmal ist es besser, wenn man vor dem Match ein Sudoku macht.
Sie sagten, Sie haben einen tollen Job. War es ein bewusster Entscheid, nach der Babypause weiterzumachen?
Ja. Ich wollte nicht deswegen mit dem Tennis aufhören. Ich bin 27, ich habe noch sehr viele gute Jahre vor mir. Und ich wurde von anderen Mamas inspiriert, die sehr erfolgreich weitergespielt haben. Das motiviert mich. Ich habe Ziele und Träume, die ich weiterverfolgen will.