Um einem Meister wie Franz Kafka gerecht zu werden, bedarf es eines Meisterwerks – und genau das ist das Biopic «Kafka» geworden. Der Schweizer Joel Basman überzeugt in der Hauptrolle. Regisseur David Schalko sagt zu seiner Serie über den literarischen Giganten: «Das Beste, das ich je drehen durfte.»
Jede Episode rückt eine andere Person aus Kafkas Umfeld in den Fokus. Indem Geliebte, Freunde, Eltern und Berufskollegen die Erzählerrolle übernehmen, wird deutlich: Kafka war gar nicht das einsame Genie, als das er posthum mystifiziert wurde.
Bordellbesuche und hitzige Diskussionen
Bordellbesuche waren zu Kafkas Zeit etwas Alltägliches. Er suchte Prostituierte ab und zu mit seinem Freund und Mentor Max Brod auf. Bei einem Vortrag von Brod über Schopenhauer hatten sie einander kennengelernt. Zuhörer Kafka bat um ein Gespräch, woraufhin er und Brod leidenschaftlich diskutierend die ganze Nacht durch Prag liefen.
Verzögern bis zum Fiasko
Die zweite Episode ist nach Felice Bauer benannt, die fünf Jahre mit Kafka verlobt war. Legendär ist der rege Briefverkehr des Liebespaars – heute als über 1000-seitiges Buch erhältlich. Legendär ist aber auch Kafkas Zaudern. Mehrfach sagt er die geplante Heirat wieder ab, bis ihm Felice ein Ultimatum stellt. Da Kafka erneut zögert, macht Felice tabula rasa. Die beiden sehen sich nie wieder.
Wutanfälle und Judentum
Kafkas Vater war ein cholerischer Tyrann. Daran lässt Folge 3 keine Zweifel. Als Sohn Franz ihm einen jüdischen Freund vorstellt, geifert er: «Ungeziefer bringst du mir ins Haus!» Dabei sind die Kafkas selbst Juden. Der Vater missbilligt auch das literarische Schaffen seines Sohns. Dafür kauft er Franz gegen dessen Willen eine Asbestfabrik.
Nachteule für Härtefälle
Kafka schrieb meist nachts, da er tagsüber für eine Versicherung arbeitete. Und seine Arbeit wurde geschätzt. Mit seinem scharfen Geist fand Kafka bei schwierigen Rechtsfällen meistens die richtige Argumentation. Wenn nichts mehr ging, hiess es in der Firma häufig: «Lasst Kafka das Problem lösen.»
Morphium und Diebstahl
Als Kafka der Journalistin Milena Jesenska von einem 100-seitigen Brief an den Vater erzählt, den er nie abgeschickt hat, empfiehlt sie ihm grinsend «das Stehlen und die Einnahme von Morphium». Das Lachen vergeht ihr, als Kafka auch so zwanghaft auf den Anblick ihrer nackten Brüste reagiert. Stinksauer schreit sie ihm ins Gesicht: «Wir alle glauben dir deine Erfindung vom armen Schwächling – und du bist zu keinerlei Kompromissen bereit!»
Schatz im Gestapo-Archiv?
Die abschliessende Episode ist nach Dora Diamant benannt, mit der Kafka in den letzten Monaten seines Lebens liiert war, ehe er mit nur 40 Jahre nach langer Krankheit starb. Diamant blieben viele Texte von Kafka, die Jahre später Hitlers Gestapo konfiszierte. Und weil die Gestapo nie etwas weggeworfen hat, sind diese letzten Kafka-Hefte wahrscheinlich im Bundesarchiv in Berlin. Ob sie je gefunden werden, ist sehr fraglich. Die ungeordneten Akten der Gestapo bestehen aus insgesamt neun Kilometern Papier.
Weitere Highlights
Hauptdarsteller Basman spricht fast ausschliesslich in Sätzen, die aus Kafkas Werk stammen – und trotzdem wirkt dies nie aufgesetzt und fügt sich stets organisch in die Dialoge ein.
In Nebenrollen kommen Kafkas literarische Zeitgenossen Rainer Maria Rilke und Robert Musil zum Zug. Während Lars Eidinger den Rilke gibt, wird Musil – in einer entsprechend androgynen Version – von Verena Altenberger gespielt.