- Auch bei Arztpraxen, Schönheitskliniken und Zahnärzten in der Deutschschweiz ist der Kauf von Fake-Bewertungen auf Google weit verbreitet.
- SRF konnte mit einer Datenrecherche in kurzer Zeit über 20 Praxen identifizieren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre Bewertungen frisiert haben - und so ihre Kunden täuschen.
- Die medizinischen Aufsichtsbehörden sehen Handlungsbedarf: Der Kauf von Fake-Bewertungen könne gegen die ärztlichen Berufspflichten verstossen und sogar zur Praxisschliessung führen.
Marine hat Akne. Sie sucht online nach einer Dermatologie-Klinik in Biel. Die erste Praxis, die ihr bei Google angezeigt wird, scheint ein Volltreffer zu sein: Viele 5-Stern-Rezensionen, lauter gute Erfahrungen von Patientinnen und Patienten. «Das beste Institut in Biel meiner Meinung nach», steht da, oder: « Ich war bei Ihnen lasern. Super nett, unkompliziert und flexibel. Danke vielmals, ich empfehle Sie gerne weiter!»
Marine bucht einen Termin bei der Klinik. Was sie nicht weiss: Viele dieser 5-Stern-Bewertungen sind nicht echt. Sie stammen von einer Firma, die gegen Geld gefälschte Bewertungen auf Google hinterlässt – und damit Patientenberichte vortäuscht, die so nie stattgefunden haben.
Kein Einzelfall
Marines Erfahrung in der Bieler Praxis war weniger positiv, als sie sich erhofft hatte. Sie fühlte sich schlecht behandelt. Rückblickend würde sie nicht mehr zu dieser Klinik gehen. Dass sie auf gefälschte Bewertungen reingefallen ist, schockiert sie: «Unglaublich, dass sie lügen. Gerade wenn es um die Gesundheit geht, ist das falsch und sollte verboten werden.»
Die Klinik in Biel ist kein Einzelfall. Eine Datenanalyse von SRF zeigt: Das Problem ist weit verbreitet. SRF Data hat mit wenig Aufwand über zwanzig Deutschschweizer Praxen und Kliniken entdeckt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit gefälschte Bewertungen gekauft haben. Darunter finden sich viele Zahnärzte, Augenärzte und Schönheitskliniken. Da für die Analyse nur ein Bruchteil aller Schweizer Kliniken analysiert wurde, dürfte die Zahl in Wirklichkeit noch deutlich höher sein.
Bereits vor einigen Wochen hat SRF Netzwerke von Tausenden professionell gesteuerten Fake-Profilen entdeckt, die bei hunderten von Firmen mutmasslich gekaufte Bewertungen hinterliessen. Dabei handelte es sich vor allem um Friseursalons, Umzugsunternehmen oder Restaurants.
Basler Kantonsarzt: «Verwarnung oder Busse möglich»
Dass sich nun auch Ärzte dieser Mittel bedienen, ist für den Basler Kantonsarzt Thomas Steffen ein neues Phänomen: «Das ist eine Problematik, die man in der Rechtsprechung mehr auf den Schirm nehmen müsste. Je nachdem sogar politisch. Der medizinische Markt tendiert immer mehr zu modernen Marketingmitteln.» Dass auch Ärzte mit modernen Mitteln werben, sei in Ordnung, sagt Steffen: «Aber es wird dann fragwürdig, wenn es nicht mehr objektiv und sachlich ist, oder wie in diesen Fällen sogar irreführend vorgegangen wird. Dort muss man eingreifen.»
Der Kauf von gefälschten Bewertungen könne laut Steffen gegen die ärztlichen Berufspflichten verstossen und müsse sanktioniert werden: «Wenn sich solche Vorfälle bestätigen, kann das ein Aufsichtsverfahren auslösen. Es kann dann eine Verwarnung geben oder eine Busse. Wenn ein Arzt dann weiter macht, kann es zur Praxisschliessung kommen.» Der Kauf und Verkauf von falschen Bewertungen verstösst in der Schweiz auch gegen das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).