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Heirat mit Beeinträchtigung Bea und Gery – eine ganz besondere Liebesgeschichte

Ihr ganzes Leben wünschte sich Beatrice Wyler, einmal zu heiraten. Kurz vor ihrem 70. Geburtstag geht der Traum in Erfüllung. Trotz geistiger und körperlicher Beeinträchtigung und nach vielen Hürden stehen sie und ihr Mann unter der «Chuppa», dem jüdischen Traubaldachin.

«Was liebst du an Bea?» fragt die Reporterin. «Alles», lächelt Gery und gibt seiner Verlobten einen Kuss. «Und du an Gery?» – «Dass er mich so nimmt, wie ich bin.»

Die Liebesgeschichte von Beatrice Wyler und Gerard Naphtaly ist eine ganz besondere. Die beiden leben in der Stadt Zürich im Beth Chana, einem jüdischen Heim für Menschen mit Beeinträchtigung.

Streaming-Tipp auf Play SRF

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«Reporter» begleitet Beatrice Wyler und Gerard Naphtaly vor und bei ihrem Hochzeitsfest. Die rund 30-minütige Dokumentation kann hier auf Play SRF gestreamt werden.

Hürden meistern

Beatrice und Gerard kamen mit einem Sauerstoffmangel zur Welt und leben seither mit einer geistigen und körperlichen Behinderung. Bei der Arbeit in einer Stiftung lernen sie sich kennen, später funkt es zwischen den beiden, schliesslich macht er ihr einen Heiratsantrag. «Er gab mir einen Kuss», erzählt Beatrice mit einem Schmunzeln. «Da wusste ich: Aha, der will etwas von mir.»

Es ist brutal. Wir sind behindert. Niemand hat uns ernst genommen.
Autor: Beatrice Wyler

Dass sie sich als rund 70-Jährige das Ja-Wort geben können, ist allerdings nicht selbstverständlich. Einige zweifelten an der Urteilsfähigkeit des Paars. Diese braucht es laut Schweizer Recht für die Eheschliessung. Erst ein psychiatrisches Gutachten erklärt Beatrice und Gerard für urteils- und damit ehefähig. «Es ist brutal. Wir sind behindert. Niemand hat uns ernst genommen», erzählt Beatrice.

Gabriel Gutmann, der Leiter des jüdischen Wohnheims Beth Chana, steht hinter dem Paar. Als einer der Ersten unterstützt er Beatrice und Gerard bei ihrem Wunsch, zu heiraten.

«Ich glaube, das bringt Anerkennung für sie. Um den Leuten und der Familie zeigen zu können, dass Leute mit einer Behinderung das können. Es ist wichtig für das Selbstwertgefühl, sagen zu können, wir sind gleichwertig.»

Nach der zivilen Hochzeit soll es eine jüdische Trauung geben. Er habe sich im Vorfeld schon Gedanken gemacht, sagt Rabbiner Noam Hertig. Dass beide kommunizieren können und verstehen, was Heirat bedeutet, sei ihm wichtig gewesen. «Wenn man sieht, wie glücklich die beiden miteinander sind, wie sie sich gegenseitig ergänzen, dann zeigt das mir, dass sie auf jeden Fall heiraten können.»

Fünfzig Jahre hat Beatrice davon geträumt, einmal als Braut unter der «Chuppa», einer Art Himmelszelt, zu stehen. Jetzt ist es also soweit.

Ein besonderes Hochzeitsfest

Geschwister, Familie, Freunde, Mitarbeitende des Wohnheims – alle sind da, um mit dem Paar zu feiern. Auch mehrere Verwandte aus Israel sind angereist. «Es ist ein ganz besonderer Moment, den niemand erwartet hat», sagt die Schwester von Beatrice. Alle hätten sich auf den grossen Tag und die Zusammenkunft der Familie gefreut.

Gabriel Gutmann organisiert zusammen mit dem Team im Wohnheim Beth Chana das Hochzeitsfest, die Dekoration, das Festessen. Das Budget ist nicht gross. Aber: «Die Leute sind mir ans Herz gewachsen. Für Familie macht man vieles. Es macht Spass, wenn man sieht, dass sie sich freuen.»

Die Eltern der beiden frisch Verheirateten konnten die Hochzeit nicht mehr miterleben. Doch Gerard ist sich sicher: «Sie hätten es toll gefunden. Sie hätten Freude gehabt.»

SRF 1, 22.1.2025, 21:05 Uhr ; 

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