Um die Bezeichnung «Extra Vergine», oder bei spanischen Produkten z.B. auch «Virgen Extra», zu verdienen, muss ein Olivenöl im Labor sowohl von der chemischen Zusammensetzung her hohen Anforderungen genügen, als auch bei einem Geschmackstest überzeugen.
Dies schreibt eine EU-Verordnung vor, die auch in der Schweiz gilt. Den sensorischen Test haben die vier durchgefallenen Olivenöle nicht bestanden.
«Das gehört zur Tagesordnung»
Dies erstaunt die Expertin Annette Bongartz nicht. Sie ist Leiterin des Schweizerischen Olivenöl Panels SOP, welches jedes Jahr mehr als hundert Olivenöle testet.
«Vier Öle, die nicht konform sind, das gehört zur Tagesordnung. Auch aus unserer Erfahrung können wir bestätigen, dass es immer wieder solche Olivenöle gibt», kommentiert Annette Bongartz den aktuellen Test. In so einem Fall könne das kantonale Labor einschreiten und einen Rückzug vom Markt veranlassen.
Würde sich das Resultat erhärten, müsste jedoch auch der Hersteller handeln. Da die Olivenöle nicht fehlerfrei sind, können sie auch nicht mehr als «Extra Vergine» verkauft werden.
Annette Bongartz sagt: «Der Produzent könnte das Öl raffinieren lassen und in einen anderen Vertriebskanal geben – oder er könnte es schlicht als ‹Vergine›-Qualitiät verkaufen, sofern es dieser denn entspricht.» Das heisst: Das «Extra» ginge verloren.
Erstaunen bei Herstellern und Händlern
Von solchen Massnahmen sind die Hersteller und Verkäufer jedoch noch weit entfernt.
Migros schreibt über das betroffene «M-Budget»-Olivenöl, es habe dieses Jahr bereits zwei unabhängige Tests erfolgreich bestanden. Man nehme die Resultate jedoch Ernst und habe erneute Tests in Auftrag gegeben.
Coop erklärt, das eigene Produkt des spanischen Herstellers «Pons» werde momentan im Rahmen der jährlichen Kontrolle in einem unabhängigen Labor getestet. Falls der negative Test keine Ausnahme war, würde man Massnahmen ergreifen.
Die italienischen Hersteller «Bertolli» und «De Cecco» der Produkte von Denner und Manor können die Labor-Tests von «Kassensturz» und «A Bon Entendeur» nach eigenen Angaben nicht nachvollziehen. Eigene wie externe Tests würden stets einwandfreie Resultate liefern, schreiben die Unternehmen in ihren Mitteilungen.
Die Güte-Label der EU
Mit Gütezeichen soll die Diversifizierung der landwirtschaftlichen Produktion gefördert, sollen Produktbezeichnungen gegen Missbrauch und Nachahmung geschützt und die Verbraucher über die besonderen Merkmale der Erzeugnisse informiert werden.
Die drei EU-Gütezeichen sollen für die Qualität hochwertiger landwirtschaftlicher Erzeugnisse und Lebensmittel und sorgen für den angemessenen Schutz folgender Produktbezeichnungen bürgen:
- geschützte Ursprungsbezeichnung - g. U.:Erzeugung, Verarbeitung und Herstellung eines Erzeugnisses in einem bestimmten geografischen Gebiet nach einem anerkannten und festgelegten Verfahren;
- geschützte geografische Angabe - g. g. A.:enge Verbindung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Lebensmittel mit dem Herkunftsgebiet. Mindestens eine der Produktionsstufen - also Erzeugung, Verarbeitung oder Herstellung - wird im Herkunftsgebiet durchlaufen;
- garantiert traditionelle Spezialität - g. t. S.:traditionelle Zusammensetzung des Erzeugnisses oder traditionelles Herstellungs- und/oder Verarbeitungsverfahren.
Aktuell:
Der «Kassensturz»-Test 2016
Beim «Kassensturz»-Test vom Mai 2016 fallen 9 von 16 Olivenöle durch. Sie dürften die Bezeichnung «Extra Vergine» nicht tragen. Trotzdem stehen sie im Regal – und bleiben dort. Denn «Extra Vergine» ist ein amtlich oft tolerierter Etikettenschwindel.