Der Barockstil verbreitete sich von Rom aus und hatte seine Blüte in katholischen Ländern zwischen 1600 und 1750. Den Raum nördlich der Alpen erreichte der Stil etwas später. Nach der Reformation triumphierte die katholische Kirche im Barock ein letztes Mal, bevor die grosse Karriere der Naturwissenschaften und die Epoche der Aufklärung begann. Architektur, Plastik und Malerei verschmolzen damals zu einem Gesamtkunstwerk. Räume von ungeahnter Kühnheit entstanden.
Glaubensglut und Sinnenfreude
In der Schweiz kann man die barocke Schönheit unter anderem in Einsiedeln betrachten. Mächtig thront dort das Kloster über dem Dorf. Wer die Stiftskirche betritt, wird von der Glaubensglut und Sinnenfreude des Barock überwältigt. Der Kirchenraum ist ein Speichermedium des Glaubens: An Wänden und Decken werden biblische Geschichten und das Leben von Heiligen dargestellt.
In ihrer heutigen Form ist die Stiftskirche in der Barockzeit entstanden. Im 17. Jahrhundert platzt das Kloster Einsiedeln aus allen Nähten, die Wallfahrt blüht. 1702 fällt der Entscheid für einen Neubau des Klosters mit Grandezza und Italianità. Ein Insider, Klosterbruder Kaspar Moosbrugger, entwirft die Pläne. Moosbrugger ist 1656 in Au im Bregenzer Wald geboren. Er wird von seinem Landsmann Hans Georg Kuen von der Vorarlberger Bauschule in Einsiedeln als Steinmetz angeheuert. Einige Jahre später tritt er ins Kloster Einsiedeln ein. Ein Glücksfall für das Kloster.
Klosterbruder prägt Schweizer Barock
Kaspar Moosbrugger wird der wichtigste Barockarchitekt der Schweiz. In Disentis, Muri, Rheinau, St. Gallen, Weingarten, Fischingen und Münsterlingen fungiert er beim Kirchenbau als Architekt oder Berater. Einsiedeln wird sein Hauptwerk. Die Benediktiner wollen im Barock das ideale Kloster realisieren, so wie es der Mönch Haito auf der Insel Reichenau im 9. Jahrhundert für die Abtei St. Gallen skizziert hatte. In diesem Kloster ist alles Lebensnotwendige wie Wasser, Mühle oder Garten für die Selbstversorgung vorhanden.
Den Innenraum der Klosterkirche in Einsiedeln gestalten die Gebrüder Cosmas Damian und Aegid Quirin Asam aus Bayern. Sie gehören mit ihren Fresken und Stuckaturen zu den berühmtesten und teuersten Künstlern der Barockzeit. Die Putten, Engel in Kindergestalt, sind eine Spezialität des Barock. Wie Lausbuben gebärden sie sich unter den Kuppeln vor dem Herrn. Sie sprühen vor Lebensfreude und wirken so leicht, als wollten sie gleich abheben.