Memento Mori! Gedenke, dass Du sterblich bist! Im Barock wurde das besonders betont. Allerdings nicht im heutigen Verständnis «mit dem Tod ist alles aus». Denn nach ihrem Tod erwarteten die barocken Menschen ein Strafgericht, Höllenqualen oder himmlisches Leben. Daran gemahnten sie die Prediger nicht nur jeden Sonntag.
Berühmte Prediger über das Memento Mori
Einer der wenigen Barockprediger, die bis heute ihren Platz in der Literaturgeschichte behaupten, ist Abraham a Santa Clara. Als Hofprediger der Habsburger Monarchie verfügte er über grossen Einfluss. Seine Predigten waren so deftig und kraftstrotzend, dass sie auch beim einfachen Volk ankamen und in Büchern europaweit verbreitet wurden.
Seine Sprachbilder wurden zum Volksmund: «O Mensch, lass Dir’s gesagt sein, lass Dir’s geklagt sein, schrei es aus, alles, allen, allenthalben: Es muss gestorben sein, nicht vielleicht, sondern gewiss! (…) Leben und Glas, wie leicht bricht das! Leben und Gras, wie bald verwelkt das! Leben und Has, wie leicht verlauft das!»
Das Memento Mori galt schon für römische Kaiser
Einen Ursprung hat die Wendung Memento Mori in der römisch-heidnischen Liturgie für Kaiser: Auch sie sollten sich vor Augen führen, dass sie Sterbliche sind – und sich nicht für unsterbliche Götter halten.
Im Christentum erhielt die Mahnung an den Tod, der allen droht, einen anderen Akzent. Denn hier war mit dem Tod gerade nicht alles aus, sondern es drohten Gericht und Fegefeuer oder: Das ewige Leben im Himmel!
Gedenke des Todes und tue Busse
Vor allem die klösterliche Theologie des Mittelalters machte den Bussgedanken stark. Angesichts der Pestepidemien wurde zur Busse aufgerufen, im Mittelalter ebenso wie später im Barock. Denn auch im Barock war der Tod allgegenwärtig. Epidemien folgten auf Kriege wie den Dreissigjährigen Krieg, der halb Europa entvölkerte. Es ist also nicht übertrieben, im Memento Mori das Lebensgefühl des Barock zu erkennen: Morgen kann alles vorbei sein, und dann stehst Du vor dem ewigen Richter.
Zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt
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Gleichzeitig befördert dieses Lebensgefühl aber auch den Genuss. Die barocken Ausschweifungen tadelt denn auch Abraham a Santa Clara in seinen «Narrenbüchern». Hier kommen alle an die Kasse: Männer wie Frauen, Könige wie Knechte. Im Tod seid Ihr alle gleich, mahnt der Barockprediger. Zugleich tut er dies aber äusserst kunstvoll, unterhaltend und humorvoll.
Der Basler Kunsthistoriker und Barockexperte Axel Gampp hebt den Unterschied zwischen protestantischem und katholischem Barock hervor. Letzterer sei auch deshalb viel prachtvoller, weil man diese Welt nicht allein als Jammertal betrachtete. Als Jammertal und düstere Prüfung beschreiben etwa Kirchenlieder wie die des evangelischen Theologen Paul Gerhardt diese irdische Welt. Nein, so Axel Gampp, das katholische Memento Mori mahne durchaus auch dazu, dieses Leben zu geniessen.
Totenschädel: ein dominantes Bildmotiv des Barock
Das bildgewordene Motiv des Memento Mori ist der Totenschädel. Sie finden sich nicht nur in barocken Kirchen, auf Ringen und Wappen, sondern auch auf Stillleben, die im privaten Haus aufgehängt werden. Auf den Stillleben wird der Totenschädel schön drapiert neben «noch» frischen Äpfeln und flüstert den Betrachtenden zu: Memento Mori!