1. Theater Basel: Der Aufbruch
Die Umstände waren widrig: Bei der Sanierung des Theaters blieb das Zeitmanagement bis zum Schluss ein Risikofaktor und der kulturpolitische Wind aus dem Nachbarkanton blies dem Theater mal wieder rau ins Gesicht. Das Team um den neuen Direktor Andreas Beck liess sich den Neuanfang nicht vermiesen und präsentierte eine erfolgreiche Premiere nach der anderen. Das spielfreudiges Ensemble ist schon nach weniger als 100 Tagen ein Highlight der Saison. (Dagmar Walser)
Gelungener Auftakt am Theater Basel: Das lässt hoffen2. Das Stück zur Stunde
Nach den Terroranschlägen vom November steht das Pariser Publikum Schlange um ein Theaterstück zu sehen: «Ça ira (1) Fin de Louis» des Autors und Regisseurs Joël Pommerat. Es ist nach einem Lied aus der Französischen Revolution benannt und ist im Grunde nichts als eine Debatte: «Ça ira» spielt in den letzten Tagen Ludwigs XVI. und zeigt, wie die allererste Assemblée Nationale um eine demokratische Verfassung ringt, während es draussen beginnt zu knallen. Wie soll sich eine faire Gesellschaft konstituieren? Alle Fragen sind offen. Das ist rasend spannend und auch rasend heutig, Joël Pommerat zielt auf direktem Weg ins Herz der Demokratie und des westlichen Gesellschaftsentwurfs. (Andreas Klaeui)
3. Tabubruch: Requiem für einen begleiteten Selbstmord
Ambivalent, aufwühlend, schonungslos: Aus «Ibsen: Gespenster», das im Januar an der Gessnerallee Zürich Premiere hatte, kam niemand ungerührt oder einfach nur zustimmend heraus. Die Performancegruppe «Markus & Markus» übersetzt Ibsens Geschichte vom lebensmüden Osvald radikal ins Heute: Die Protagonistin des Abends ist Margot, die sich von einer Basler Sterbehilfeorganisation in den Tod begleiten lässt. Die Performer begleiten sie dabei mit der Kamera und organisieren für sie danach auf der Bühne ein theatrales Requiem. Das (dokumentarische) Theater wagt sich hier an seine (moralischen) Grenzen heran. (Dagmar Walser)
Website von «Markus & Markus», Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen
4. Besser als vor dem Bildschirm
Grosser Stoff, grosses Theater: Karin Henkel inszeniert fürs Schauspielhaus Zürich «Dekalog» nach dem Filmzyklus von Krzysztof Kieślowski. Du sollst nicht töten, nicht stehlen, nicht lügen – jedem der biblischen zehn Gebote hat der polnische Regisseur Ende der 1980er-Jahre einen Film gewidmet. Karin Henkel überführt die Filmerzählungen in Theaterstationen, quer durch die Schiffbauhalle und mit allen Möglichkeiten, die die Live-Performance bietet. Man ist mittendrin, man ist nah dran, geht mit im wörtlichen Sinn: ein Theatererlebnis. (Andreas Klaeui)
«Die Zehn Gebote» des polnischen Regisseurs Krzysztof Kieslowski (Kultur kompakt, 25.9.15)
5. Unmögliches Theater?
Neue Texte haben es schwer im Theater, so hört man oft. Dabei war 2015 ein besonders reicher Jahrgang für die Gegenwartsdramatik. Eines der erfolgreichsten Theaterstücke der Saison war Wolfram Lotz' «Die lächerliche Finsternis». Lotz überträgt darin Joseph Conrads «Herz der Finsternis» und Francis Ford Coppolas «Apocalypse Now» in ein fiktives Heute, in dem sich verschiedene Krisengebiete und (Kolonial-)Geschichten überlagern. In der Schweiz haben diesen so aktuellen wie raffinierten Text sowohl das Luzerner Theater wie das Theater Winkelwiese in Zürich zur Aufführung gebracht. (Dagmar Walser)
Wolfram Lotz' Gegenwartsdrama «Die lächerliche Finsternis» (Reflexe, 26.2.15)
Inhalt
Das war 2015 Die fünf besten Theaterstücke 2015
Gelungene Starts, grosse Stoffe und Theatererlebnisse der besonderen Art: Im Rückblick aufs Theaterjahr 2015 zeigt sich wie aktuell und vielfältig die Theaterszene auf der Bühne auf die Welt reagiert hat. Fünf Highlights werden besonders in Erinnerung bleiben.
wald/klaa