Sie trägt britische Uniform und Dutt, schiesst scharf – und spaltet die Gemüter: Die Kämpferin im Trailer des Games «Battlefield V». Der neuste Teil der Ego-Shooter-Reihe soll im Herbst erscheinen, wird aber im Netz bereits jetzt kontrovers diskutiert.
Denn «Battlefield V» spielt im Zweiten Weltkrieg. Was hat da eine Frau an der Front verloren? Geschweige denn auf dem Cover – als Aushängeschild des neuen Games?
Diese Frage machte auf Twitter und Facebook die Runde, nachdem die Entwicklerfirmen EA und DICE erste Bilder, Infos zur Story und zu den spielbaren Charakteren durchsickern liessen.
Eine Frau an der Front?
Aus Marketingsicht macht es durchaus Sinn, eine schusswaffenschwingende Frau aufs Cover zu setzen. Die Entwicklerfirmen wollen damit wohl junge Gamerinnen ansprechen: zwar noch eine Rand-Zielgruppe, aber eine wachsende.
Im letzten «Battlefield» konnte man bereits eine Frau oder schwarze Soldaten spielen. Und nun also: eine britische Scharfschützin oder eine norwegische Widerstandskämpferin.
Vielleicht waren sich die Entwickler dabei der Provokation auch bewusst. Schliesslich schadet Aufmerksamkeit nicht. Und wer in der männlich dominierten Gamerwelt mehr Diversität wagt, kann auf empörte Reaktionen zählen.
«Weibliche Charaktere bleiben»
So tobten in den sozialen Medien auch diesmal zuverlässig einige Trolle – unter dem Hashtag #NotMyBattlefield machten sie ihrer Unmut Luft. Und realitätsvernarrte Fans kamen ins Diskutieren.
Man verzerre hier bewusst die Geschichte, um sich einen «politisch korrekten» Anstrich zu verpassen, so der lauteste Vorwurf an die Adresse der Macher von «Battlefield V». Der DICE-Geschäftsführer reagierte auf Twitter mit deutlichen Worten: «Spielerwahl und weibliche spielbare Charakter sind da, um zu bleiben.»
Weg von der Realität
Dass das Battlefield-Szenario mit historischer Realität wenig zu tun hat, das bestätigt der Militärhistoriker Heiko Brendel, der zur Darstellung von Kriegen in Computerspielen forscht.
«In den britischen Streitkräften wurden nur ganz wenige Frauen an Waffen ausgebildet – und zwar zur Selbstverteidigung. Es war aber nicht erwünscht oder sogar verboten, dass sie etwa ein Maschinengewehr bedienten.»
Frauen seien zwar an Kriegshandlungen beteiligt gewesen, so Heiko Brendel. «Aber die meisten dienten nicht als Soldatinnen im engeren Sinn, sondern als Hilfskräfte in Uniform.» Sie lenkten Fahr- und Flugzeuge, verarzteten Verwundete, entschlüsselten Codes oder tippten Botschaften – aber sie kämpften nicht.
Die Ausnahme: Russinnen und Widerstand
«Alle waren bemüht, Frauen von der Front fernzuhalten – mit Ausnahme der Roten Armee.» Dort wurden Frauen bewaffnet und an die Front geschickt. Es gab sogar eine Elitetruppe von Scharfschützinnen wie Ljudmila Pawlitschenko, die über 300 Gegner tötete, zum Major befördert wurde und bis heute als Heldin verehrt wird.
Realistisch hingegen: die norwegische Widerstandskämpferin aus «Battlefield V». «Im norwegischen Widerstand waren viele hundert Frauen aktiv. Beim Widerstand achtete man allgemein kaum auf das Geschlecht», sagt Heiko Brendel.
Am Ende zählt der Spielspass
Es gebe rund 2500 Games, die im Zweiten Weltkrieg angesiedelt seien, ergänzt der Militärforscher. Allerdings seinen sie alle keine Simulation der Realität – und wollen auch keine sein. Historische Tiefe sei kaum ein Ziel, denn: «Die Spielewelt würde dadurch zu komplex und nicht mehr spielbar.»
«Wenn Games akkurat sind, dann vor allem beim Abbilden von Uniformen und Waffen», sagt auch Guido Berger von der SRF-Digitalredaktion: «Die Optik der Kriegsgeräte mag stimmen. Aber nicht, was damit gemacht werden kann. Da wird viel geschummelt – denn am Ende ist das Spielgefühl am wichtigsten.»
Auch die meisten Spieler suchen laut Heiko Brendel in einem Shooter-Spiel kaum historische Faktentreue: « Sie wollen Freiheiten und nicht deterministisch in einem Korsett gefangen sein.»
Dass «Battlefield V» nicht realistisch sein will, auch das signalisiert der Trailer: Statt mit zwei Armen kämpft die Titelheldin mit einer Armprothese aus Metall.