Keine fünf Minuten vergehen in der ersten Bestatter-Folge, bereits durchdringt schallender Alarm das Kunsthaus Aargau. Doch kein Gemälde wurde entwendet, im Gegenteil: Eines der ausgestellten Kunstwerke erhält makabren Zuwachs.
Ein Babysarg wird von einem Unbekannten unter Albert Ankers Bild «Kinderbegräbnis» von 1860 platziert. Das eindrückliche Gemälde steht im Zentrum der ersten Bestatter-Folge – und wird Luc Konrad noch lange beschäftigen.
Ankers «Kinderbegräbnis» zeigt – gerahmt von Kirchenmauer, Trauerweide und Friedhofsmauer – eine Trauergemeinschaft. Sie ordnet sich um einen kleinen, blumengeschmückten Sarg an einem offenen Kindergrab. Männer, Frauen und Kinder stehen in Gruppen da, suchen Trost. Kinder singen.
Die zentrale Figur im Bild: Der Bestatter. Bedächtig steht er am Fusse des zu klein wirkenden Grabes, den Blick gesenkt. Sein Gewicht auf die Schaufel gestützt, mit der er eben das Grab ausgehoben hat. Daneben liegt noch sein Werkzeug.
In Paris inspiriert
«‹Das Kinderbegräbnis› ist ein wichtiges Bild in Ankers Frühwerk», so die Berner Kunsthistorikerin und Anker-Expertin Therese Bhattacharya-Stettler. «Es ist überdurchschnittlich gross, fast schon monumental.»
Das 1863 gefertigte Bild wurde laut Bhattacharya ein Jahr später am berühmten Pariser Salon ausgestellt. Im selben Jahr wurde die Eingabe von Gustave Courbet, des französischen Malers, der in den 1950er-Jahren mit seinem «Begräbnis von Ornans» Furore gemacht hatte, von der Jury abgelehnt.
Bhattacharya-Stettler geht davon aus, dass Courbets Begräbnisszene Anker zu seinem Bild angeregt hat. «Anker verbrachte damals die Winter samt Familie in der Metropole Paris, im Sommer lebte er in seinem bäuerlichen Heimatdorf Ins. Bestimmt kannte er Courbets Werk und war davon inspiriert, als er sein ‹Kinderbegräbnis› malte.»
Typisch für Anker seien die vielen auf dem Bild abgebildeten Menschen. «Doch im Vergleich zu Courbets modernem Historienbild ist Ankers Bild eher anekdotisch. Er beschäftigt sich auch hier mit dem alltäglichen Leben – dazu gehört auch der Tod.»
Der Tod im Alltag
1860 war die Kindersterblichkeit sehr hoch. Davon war Albert Anker nicht nur als sorgfältig beobachtender Zeitgenosse, sondern auch persönlich betroffen.
Bereits als Jugendlicher verlor er Mutter und Bruder, bald auch seine kleine Schwester. Jahre später muss er als Vater von sechs Kindern mit dem frühen Tod zweier Söhne fertig werden.
So findet das Sterben auch in seinen Bildern statt, ebenso wie er alltägliche Hausarbeiten oder das ländliche Zusammenleben dokumentierte, mitunter ein Grund für seine Vereinnahmung als «Nationalmaler».
Heimtückische Dornenhecke
In dieser von Anker verewigten Begräbnisszenerie geht es um ein kleines Inser Mädchen, das auf tragische Weise den Tod fand. Albert Rytz, Pfarrer und ein Freund Ankers, schrieb dessen Geschichte 1911 nieder. Ein Mädchen pflückt am Tag vor dem Schulexamen barfuss Veilchen.
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Es verletzt sich den Fuss an einer Dornenhecke, schenkt der Wunde jedoch keine Beachtung. Doch die vermeintlich harmlose Verletzung führt zu einer Blutvergiftung – das Kind stirbt wenige Tage später.
«Die Trauer um das herzige Kind war allgemein, und seine Mitschüler und Mitschülerinnen waren tief erschüttert», so Rytz' Beschreibung des tragischen Ereignisses.
Diese Erschütterung wird auch in weiteren Werken Ankers sichtbar: Zwei Bilder mit demselben Titel «Die kleine Freundin» thematisieren den Tod dieses Kindes. Einmal ist das Kind auf dem Totenbett zu sehen. Auf dem zweiten Bild zeigt Anker ein Mädchen beim Versuch, die trauernde Freundin zu trösten.