Seit der Ankündigung des Zürcher Projektes «Hafenkran» bläst dem rostigen Koloss ein rauer Wind entgegen. Neu ist das nicht. Immer wieder sorgte Kunst im öffentlichen Raum für heftige Kontroversen: In den 1960er-Jahren löste Jean Tinguelys Skulptur «Heureka» keinen «Das ist es!»-Ausruf aus, sondern ein «Bloss nicht hier!». Ebenso umstritten waren vor gut 30 Jahren der Brunnen von Meret Oppenheim in Bern und Max Bills «Pavillon-Skulptur» an der Zürcher Bahnhofstrasse.
Der Protest gegen die Projekte kommt von Politikerinnen und Politikern, aber auch aus der Bevölkerung. Kaum zu vernehmen ist allerdings die Meinung jener Generation, die bei den genannten Debatten noch gar nicht auf der Welt war. Was denken unter 30-Jährige über die Kunst im öffentlichen Raum? Nehmen sie die Objekte überhaupt als Kunst wahr, oder sehen sie darüber hinweg, weil sie schon immer da standen? Was gefällt ihnen am besten? Und will diese Generation überhaupt Kunst im öffentlichen Raum?
Ein Favorit in Basel und mehrere in Bern
Die Antwort junger Menschen auf die Frage nach dem liebsten Objekt ist in Basel praktisch immer die gleiche: der Fasnachts-Brunnen von Jean Tinguely, den die meisten einfach den «Tinguely-Brunnen» nennen. Die Skulptur, die nun schon bald 40 Jahre auf dem Theaterplatz spritzt, siebt, plätschert und giesst, scheint in der Heimatstadt des Künstlers alle Sympathie auf sich zu vereinen. «Das ist keine klassische Kunst, sondern etwas Spezielles, das man sonst nicht sieht», sagen zum Beispiel die beiden Gymnasiasten Nicolas Troxler und Stanislav Zytynski.
In der Hauptstadt ist man sich nicht ganz so einig. Am häufigsten nennen die jungen Berner den Brunnen von Meret Oppenheim. Ihnen gefällt gerade das besonders, was die Kritiker heute stört: die permanente Wandlung durch den wachsenden Kalk und das Moos. Die Befragten erwähnen aber auch andere Kunstwerke: «Keine Brunnenfigur», der Brunnen von Carlo Lischetti, bei dem eine Treppe zu einem leeren Sockel führt und sich jeder selber als Brunnenfigur versuchen kann; die in den Asphalt versenkten Milchkannen von Ueli Berger, die allerdings schon seit einigen Jahren verschwunden sind; die mit einer Schlaufe verbundenen zwei Beine von Luciano Andreani; der «Grosse Chribel» aus rotem Stahl vor dem Eingang der Mobiliar-Versicherung. Oder die Bilder von Mani Matter, die an der nach ihm benannten Gasse jemand immer wieder aufs Neue anonym an die Wände klebt.
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Die Kunst kommt zu den Menschen
Kunst von anonymen Künstlerinnen und Künstlern an Wänden zieht besonders viel Aufmerksamkeit der jüngeren Generation auf sich. Viele antworten, dass ihnen Streetart und Graffitis gefallen. «Mich interessiert Streetart mehr als der Tinguely-Brunnen», sagt der Soziologie-Student Veit Cornelis. Die heutige Architektur sei zwar nützlich, aber sie habe keinen Charakter. Kunst gehört für ihn unbedingt an die Wände, um den öffentlichen Raum aufzuwerten. Der Printmedienverarbeiter Sascha Favre sieht darin mehr als nur Ästhetisches: «Graffitis widerspiegeln die Kultur der heutigen Jugend. Einige sagen sehr viel aus und prangern auch politische Entscheide an.»
Die Frage stellt sich: Wollen sie Kunst im öffentlichen Raum? Braucht es sie? Widersprechen tut niemand. Einige finden, Kunst im öffentlichen Raum sei zwar keine Notwendigkeit, aber doch eine Bereicherung. Ohne extra ein Museum besuchen zu müssen, komme die Kunst quasi zu einem. Für viele sind künstlerische Werke auch in der Öffentlichkeit unbedingt notwendig, zum Beispiel für die Jus-Studentin Mirjam Becker: «Kunst in jeder Form finde ich fundamental im Stadtleben. Sie inspiriert, sorgt für ein Lächeln und auch für Menschlichkeit.»
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