Als «Weihnachts-Highlight pünktlich zur 100-Jahr-Feier» bewirbt die künstlerische Leiterin der Disney Animation Studios Jennifer Lee ihre jüngste Produktion. Dabei handle es sich um ein «Original», wie die 52-jährige Amerikanerin stolz betont.
Brandneue Geschichten, die nicht auf schon etablierten Figuren wie Pinocchio, Luke Skywalker oder Marvel-Helden beruhen, sind ein rares Gut im Hause Disney geworden. «Wish» stellt ein solch seltenes «Original» dar. Doch wirklich originell ist an diesem Medley altbekannter Hits leider nichts.
Aus kreativer Sicht keine Sternstunde
Was wäre, wenn ein kleiner Stern vom Himmel fiele und alle Wünsche wahr würden? So generisch wie die Prämisse von «Wish» fühlt sich der ganze Film an.
Alles was wir hier sehen und hören, wirkt vertraut: Star, der magische Energieball, welcher der Heldin Asha plump vor die Füsse fällt, ist zum Beispiel eine recht dreiste Kopie von Nintendos «Luma»-Sternchen.
Noch kräftiger wurde das eigene Archiv geplündert. Natürlich mit der Absicht, nostalgische Gefühle heraufzubeschwören. Über 100 Referenzen an Disneys beliebteste Kassenschlager habe man eingebaut. Stimmig sind aber bloss die wenigsten.
Wasserfarben-Optik mit Retro-Touch
Richtig gelungen ist nur der Look, der trotz frischem Anstrich an die Meisterwerke früherer Tage erinnert. Gemeint sind damit hauseigene Märchenverfilmungen wie «Snow White» (1939) oder «Sleeping Beautiy» (1956), die heute zu Recht als Klassiker verehrt werden.
«Es soll sich so anfühlen, als ob man ein Bilderbuch öffnet», sagt Lee zum visuellen Konzept von «Wish», das sie schlüssig zu skizzieren weiss: «Wir haben modernste Technologie mit der alten Kunst des feinen Pinselstrichs vermischt.»
Eingefrorene Erzählmuster
Inhaltlich gleicht «Wish» stark dem Animationsfilm, der Oscarpreisträgerin Jennifer Lee bisher am meisten Ruhm und Ehre eingebracht hat: «Frozen», bei uns besser bekannt als «Die Eiskönigin».
Der kurz vor Weihnachten 2013 lancierte Publikumsliebling war aus feministischer Perspektive ein Meilenstein: Einerseits, weil zum ersten Mal in Disneys langer Geschichte eine Frau Regie führen durfte. Andererseits, weil sich das von Jennifer Lee selbst verfasste Drehbuch wohltuend vom genderstereotypen Märchenkanon unterschied: Das Narrativ der schönen Prinzessin, die nur darauf wartet, dass ein mutiger Prinz sie rettet, wurde hier als falsches Versprechen gebrandmarkt.
«Wish» wandelt mit seiner aufgeweckten Protagonistin, die den beliebten König Magnifico als manipulativen Machtmenschen entlarvt, ideologisch auf denselben Pfaden. Als feministisches Follow-up der höchst lukrativen «Frozen»-Filme möchte Lee ihre aktuelle Story dennoch nicht verstanden wissen: «Ob eine Frau oder Mann im Zentrum steht, ist unerheblich. Solange die universelle Botschaft hängenbleibt, dass wir alle unsere eigenen Heldinnen oder Helden sein müssen.»
Keine Rettung in Sicht
Mit dem Aufruf, aktiv die Erfüllung der eigenen Wünsche voranzutreiben, dürfte «Wish» im gegenwärtigen Zeitalter der Selbstoptimierung und -verwirklichung offene Türen einrennen. «Zumal da niemand ist, der einen retten würde», wie Lee abschliessend bekräftigt.
Das stimmt freilich, gilt aber dummerweise auch für den uninspirierten Familienfilm: Angesichts fehlender Eigenständigkeit ist da nichts, was «Wish» retten könnte.
Kinostart: 30.11.2023