Es ist eine Mischung aus Seufzer und Knurren, die seiner Antwort vorausgeht. 1971 war es, als Ingmar Bergman von US-Talk-Show-Moderator Dick Cavett gefragt wird, wie es denn um sein Temperament stehe. Ob es auch mal vorkomme, dass er einen seiner Schauspieler zusammenfalte?
Dick Cavett, der Interviewer, war nicht irgendein Dilettant. Der damals 34-Jährige hatte den Ruf, die besten TV-Gespräche in Sachen Show-Business zu führen. Er wusste Bescheid um das berüchtigte Temperament des schwedischen Autorenfilmers.
Berüchtigter Interviewpartner
Nun sitzt Ingmar Bergman also da. Er hat den einen Arm lässig auf der Lehne eines Ledersessels platziert, als ihm diese Mischung aus Seufzer und Knurren entflieht. Man denkt sich unweigerlich: «So oder so ähnlich klingt das vermutlich jeweils, bevor er wieder einmal einen seiner Schauspieler zusammenfaltet.»
Der Schwede verliert aber seine Beherrschung nicht. Mit einer fast schon väterlich anmutenden Milde erklärt er seinem Gesprächspartner, dass es schon mal vorkommen könne, ihm das dann aber jeweils auch gleich leidtun würde. Mittlerweile käme es aber viel seltener zu solchen Aussetzern als früher.
Schwieriges Verhältnis zu den Frauen
Das ist natürlich nur die halbe Wahrheit. Seine Namensvetterin Ingrid Bergman ohrfeigte den Grossmeister während der Dreharbeiten zu «Höstsonaten» («Herbstsonate»), weil dessen diktatorisches und cholerisches Benehmen ihr irgendwann nicht mehr zusagte.
Insbesondere zu den Frauen in seinen Filmen pflegte der Regisseur ein kompliziertes und oft problematisches Verhältnis. Er wollte ihnen besonders nah sein, sprach von «seinen» Schauspielerinnen. Einige bezeichneten ihn deswegen als besitzergreifend.
Manche schreckte er damit ab, andere wiederum liessen sich auf Affären oder Beziehungen mit ihm ein. Fünfmal war er verheiratet, er war Vater von neun Kindern. Von denen – behaupten böse Zungen – konnte er sich knapp noch deren Geburtsjahre merken.
Ein Mensch mit hohen Ansprüchen – auch an sich selbst
Seine ehemalige Assistentin Katinka Farago erzählte gegenüber dem «Independent», dass sie damit beauftragt gewesen sei, jeden Monat Umschläge mit beträchtlichen Bargeld-Summen an all seine Ex-Frauen zu versenden.
Sehr angenehm sei die Zusammenarbeit mit ihrem Chef nicht immer gewesen. Sie berichtet aber auch davon, dass Bergman nicht nur an Schauspieler und Crew die höchstmöglichen Ansprüche gestellt habe, sondern nicht zuletzt auch an sich selbst.
Von Dick Cavett gefragt, was die Leute über seinen Film «Fängelse» («Gefängnis») wissen sollten – den ersten, bei dem Bergman sowohl für die Regie als auch das Drehbuch verantwortlich war – antwortet dieser: «Nun, es ist ein sehr schlechter Film. Sehr schlecht.» «Jungfrukällan» («Die Jungfrauenquelle») bezeichnete er im Nachhinein selbst als lausige Imitation eines Akira-Kurosawa-Films.
Der Japaner gehörte einem sehr illustren und noch kleineren Kreis von Kollegen an, deren Filme Bergman bewunderte – wie auch Federico Fellini, Luis Buñuel und allen voran Andrei Tarkowski. Jean-Luc Godard hingegen bezeichnete er als Langweiler, der seine Filme für die Kritiker drehe und Michelangelo Antonioni beschuldigte er, sein Werk mit seiner eigenen Langeweile erstickt zu haben.
Gute Filme, schlechter Mensch
Ein Diplomat war der Schwede nicht. Auch nicht der entspannt-väterliche Typ, den er im Gespräch mit Cavett gab. Beschäftigt man sich eine Weile mit der Person Ingmar Bergman, ertappt man sich vielleicht dabei, wie einem eines dieser Geräusche entflieht – eine Art Mischung aus Seufzer und Knurren.
Lieber sollte man sich seine Filme ansehen. Davon sind manche gut und andere grossartig. Ausser «Fängelse» vielleicht. Der soll ja sehr schlecht sein. Sehr schlecht.