«Figuren zu schaffen, geschaffen zu haben, die beim Publikum zur Wirklichkeit werden, zur erlebten – kann es etwas Schöneres geben? Ein ganzes Volk zu rühren und zu erheitern?», so die Schlussworte von Kurt Frühs autobiographischen Rückblenden von 1975. Und in der Tat: Was wäre der Schweizer Film ohne Bäckermeister Zürrer, ohne dessen Gegenspieler Pizzani, ohne die Clochards aus dem Zürcher Langstrassenquartier oder ohne Dällebach Kari?
Kurt Früh wurde am 12. April 1915 in St. Gallen als jüngster von fünf Söhnen in ein sozial-religiöses, künstlerisch anregendes Familienumfeld hineingeboren (sein Bruder Huldrich wurde Musiker, sein Bruder Eugen Maler). Schon in früher Jugend interessierten ihn Politik und Gesellschaft. Als Gymnasiast gehörte er einer marxistisch orientierten Lesegruppe an, und über den Antifaschismus fand er zum Theater.
Ob auf der Bühne, in seinen Texten oder im Film: Immer schlug sein Herz für die Kleinen und «Verschupften» der Gesellschaft. Viel lag ihm am Echo auf seine Arbeiten: Hatte er damit Erfolg, hob er fast euphorisch ab; umgekehrt trafen ihn Misserfolge im Innersten.
Antifaschistisches Theater und Werbefilme
1926 zog er mit seiner Familie von St. Gallen nach Zürich, wo er die Matura bestand und an der Universität einige Semester Sprache und Musik studierte. Schon mit 18 Jahren war Kurt Früh Leiter, Autor und Regisseur der an Brecht orientierten «Volksbühne Zürich». Parallel dazu arbeitete er als Chanson-Redaktor für die Kabaretts «Cornichon», «Pfeffermühle» und «Bärentatze», welches er in Bern mitbegründet hatte.
Von 1936 an drehte er, teils in Zusammenarbeit mit Hans Richter, kurze Werbefilme für die Central Film Zürich. Darüber hinaus war er ab 1940 als Montagechef für die Schweizer Filmwochenschau tätig. Auch der Bühne blieb er mit der Inszenierung von Theater- und Chorstücken verbunden, etwa mit «Der neue Columbus» (1939, mit Musik seines Bruders Huldrich). Als Regieassistent der drei letzten Filme von Leopold Lindtberg, unter anderem bei «Unser Dorf», fand er 1949-1953 zum abendfüllenden Spielfilm.
Vielbeschäftigter Dialektfilmregisseur
Seine Tragikomödien «Polizischt Wäckerli» (1955) und «Oberstadtgass» (1956) waren Publikumsrenner. Beide Werke gingen auf Radiohörspiele von Schaggi Streuli zurück, der in den Verfilmungen auch die Hauptrolle übernahm und sie mit seinem «Raue-Schale-weicher-Kern»-Gestus weitgehend prägte.
Mit «Bäckerei Zürrer» (1957), der im Zürcher Langstrassenquartier unter Kleingewerblern, Immigranten und Pennern spielte, fand Kurt Früh seinen eigenen Stoff und seinen eigenen Stil. Emil Hegetschweiler (1887-1959) spielte darin die Rolle seines Lebens, einen gealterten Zürcher Bäckermeister, der mit den Veränderungen der Zeit nicht mehr zurechtkommt.
Bis 1963 brachte Früh danach fast alljährlich einen neuen Dialektfilm ins Kino, ohne jedoch an die früheren Erfolge anknüpfen zu können. Zunächst die Fachkritik, zunehmend aber auch das Publikum, verweigerte sich den Filmen, die nun als kleinbürgerlich-antiquiert empfunden wurden.
Fernsehproduktionen und Anschluss an den Neuen Schweizer Film
Kurt Früh wandte sich vom Spielfilm ab und leitete von 1964 bis 1967 das Ressort Theater am Schweizer Fernsehen. Er produzierte über dreissig Fernsehfilme (z.B. «Tod uf em Oepfelbaum», 1966, mit Heinrich Gretler und Jessica Früh) und führte dabei oftmals auch selbst Regie. 1969 dreht Früh unter strenger Geheimhaltung die fünfteilige Krimi-Serie «Das Landhaus» mit Lukas Ammann in der Hauptrolle.
Von 1967 bis 1969 wirkte er als Dozent für die neugeschaffenen mehrmonatigen Filmkurse am Kunstgewerbemuseum Zürich.
Als Lehrer am Kunstgewerbemuseum Zürich fand Früh den Anschluss an den Neuen Schweizer Film, zu dem seine beiden letzten Werke «Dällebach Kari» (1970) und «Der Fall» (1972) zählen. Noch einmal spiegelte sich in diesen Filmen Frühs Engagement für die Aussenseiter der Gesellschaft: «Dällebach Kari» porträtierte den legendären Berner Coiffeurmeister mit der Hasenscharte, welcher sich wegen der aussichtslosen Liebe zu einer Bürgertochter das Leben nahm, und «Der Fall» kreiste um die triste Odyssee eines Zürcher Privatdetektivs. Beide Werke wurden von der Kritik gelobt, «Dällebach Kari» wurde zum Publikumserfolg, «Der Fall» hingegen floppte an der Kinokasse.
Zum Tod von Kurt Früh
Der Misserfolg setzte dem Regisseur zu. Es folgte eine Zeit der Depression und schliesslich der Griff zu Tabletten und Alkohol. Kurt Früh vollendete noch seine Rückblenden (1975) in Buchform, und starb nach einem längeren Aufenthalt im Künstlerheim Boswil von der Öffentlichkeit weitgehend vergessen am 24. März 1979 in der Klinik Littenheid (Sirnach TG).
Kurt Früh hinterliess seine langjährige Ehegattin, die Schauspielerin Eva Früh Langraf (1919-2009), und die beiden Töchter aus dieser Ehe, Katja Früh (*1953) und Jessica Früh (*1956).