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Trailer zu «Im Parterre links», 1963
Aus Kultur Extras vom 18.04.2015.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 9 Sekunden.

Stimmen zu Früh «Mein Lehrer wird ausgerechnet Kurt Früh!»

Clemens Klopfensteins («Das Schweigen der Männer») Begegnung mit Kurt Früh als Lehrer war nachhaltig. In seinem Buch «Als ich meine Filme stahl» widmet er Kurt Früh ein ganzes Kapitel. Die anfängliche Skepsis gegenüber dem alten Fuchs wich bald einer grossen Bewunderung.

«Fünfmal sah ich 1965 den ‹Django› und fünfmal musste ich den Trailer von ‹Parterre links› über mich ergehen lassen. Das war ein echter Affront, wir wilden Studenten warteten auf den echten Corbucci-Django mit Schlamm, Sarg und Maschinengewehr und da kommt dieses kleinbürgerliche, muffige Milieu und dies auch noch auf Züritütsch!

Gerade von diesem Milieu wollten wir ja weg, und wie! Für Jahre war der Trailer von ‹Parterre links› der einzige Frühfilm, den ich kannte, das genügte, das Urteil war gefällt. Dagegen wollten wir andere Filme setzen und taten es auch.

Clemens Klopfenstein auf Kinosesseln.
Legende: Clemens Klopfenstein, Regisseur. Keystone

Nach ein paar frechen Produktionen, dann doch die Einsicht, dass man von den normalen Produktionen noch etwas lernen könnte, ich melde mich beim Filmkurs an der KGSZ an, werde als ‹Rebell› trotzdem akzeptiert und mein Lehrer wird ausgerechnet Kurt Früh, meine Ex-Kollegen rümpfen die Nase, aber ein alter Fuchs muss wohl auch noch dabei sein, ist meine erste Reaktion. Die zweite, ein leichtes Frösteln: Früh spricht ein unnahbares kühles Bühnendeutsch und mit seinem Stumpen will er wohl den Filmgigant markieren, hinter ihm sein Assistent, der an unseren turbulenten ‹Cine-Circus›-Abenden am lautesten gebuht hatte. (Giorgio Janett.) Mit Vergnügen wird uns dazu vom Kursleiter Egger, den BUND-Artikel über die ersten Solothurner Filmtage vorgehalten, Titel: ‹Kein Antonioni aus Trubschachen›.

Schon werde ich von den Freunden zum Verräter taxiert, weil ich zum alten Schweizer Film überlaufe. Die Filmkurse waren ja die Idee der alten Garde. Als die Mehrheit der Schüler aus Protest den dritten Kurs verliess, war aber auch EIN Lehrer bei den Aufständigen dabei: Kurt Früh!

Buchhinweis

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Clemens Klopfenstein: «Als ich meine Filme stahl», Spiegelberg-Verlag

Der erste Eindruck war grundfalsch gewesen. Er war zu uns Schülern sehr tolerant, ja fast lieb. Er kam ja auch aus der linken Arbeiterbühne-Bewegung. Wir schätzten seine praktischen, etwas hart vorgetragenen Ratschläge wie ‹Bei einem Drehbuch mit über 200 Einstellungsnummern ist etwas faul!› oder wenn wir hanebüchene Exposes vorlegten: ‹Das Publikum will nicht EURE Träume bezahlen.›

Er hat seine Schauspielerfreunde praktisch gezwungen, vielleicht sogar erpresst, damit wir unsere billigen Schulfilme trotzdem mit erstklassigen Schauspielern realisieren konnten . Seine Überredungskunst bleibt mir unvergessen, als er es schaffte, den eher zimperlichen - aber mit einem tollen Gangster-Gesicht ausgestatteten - Fred Tanner in seinem besten Sonntagskittel sich in den Regenschlamm am Flugplatz Kloten für mein ‹Nach Rio› zu legen und mit gezückter Pistole zum Flugzeug zu robben.

Er meinte es wirklich gut mit uns, sein Papi-Gefühl war echt und als wir alle zusammen aus der KGSZ auszogen und sich die ‹Gruppe Früh› bildete, war sein Hauptanliegen, einen Produzenten für unseren Episodenfilm zu finden. Wenn jetzt überall steht, dass seine Liebe den kleinen Leuten galt, so können da auch seine Filmschüler miteingeschlossen werden.

Leider ist aus der Gruppe Früh nichts Konkretes geworden. Ein Haufen Drehbuchskizzen. Erinnerungen an intensive Abende in der grossen Frühwohnung an der Kloosbachstrasse mit Eva Langgraf und den Kindern Jessica und Katja, die immer ins Bett marschieren sollten.

Zum Roman, der aus einer Filmskizze bei ihm enstand ‹Die Migros-Erpressung› von Nester I Klopfenstein meinte er später, als er das Buch gelesen und für wahre Münze nahm: ‹Hoffentlich wissen die beiden, was sie jetzt mit den Millionen machen wollen!›

Lieber Kurtli, mit Dir wars lustig, vertrauensvoll und lehrreich, habe vielen Dank! Klopfi»

Quelle: «Als ich meine Filme stahl», Clemens Klopfenstein, Spiegelberg-Verlag

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