Die Paketbombe, welche Maxis Mutter und Brüder das Leben kostet, wurde von islamistischen Terroristen an die Berliner Adresse geschickt. Zumindest vermuten das die Behörden, die Öffentlichkeit und auch Maxi (Luna Wedler). Das Kinopublikum und der charismatische Student Karl (Jannis Niewöhner) wissen es besser.
Karl hat allerdings kein Interesse daran, die hübsche Maxi aufzuklären. Im Gegenteil: Er nimmt ihre Wut und Trauer zum Anlass, ihr verständnisvoll beizustehen. Er lädt sie ein, ihn nach Prag zu begleiten, zu einem Jugendkongress.
Faschistische Rockstars
Diese Kongress-Show, welche Regisseur Christian Schwochow in Prag inszeniert, ist eine ausgesprochen verführerische Mischung von Influencer-Treffen, revolutionärem Überschwang und mitreissender Klimajugend-Stimmung.
Karl und seine Mitstreiter sind überzeugende, eloquente Rockstars auf der Bühne: Die Jugend müsse Europa regenerieren und retten, was die Elterngeneration versäumt habe.
Bis es eskaliert
Maxi kanalisiert dankbar ihre Trauer und ihre Wut. Sie lässt sich euphorisiert darauf ein, als Direktbetroffene in die Bühnenshow integriert zu werden. Nicht nur hier, sondern auch beim nächsten grossen politischen Treffen in Frankreich.
Dort eskalieren die Dinge dann zur Kenntlichkeit. Tod und Niedertracht brechen sich ihren Weg, Maxi gehen die blauen Augen auf und über. Immerhin bringt es Luna Wedler sogar in diesen Szenen noch fertig, ihrer Figur glaubhaft gefühlige Flügel zu verleihen.
Ein trojanisches Thriller-Pferd
Aber Regisseur Schwochow und sein Drehbuchautor Thomas Wendrich setzen kaum auf die Zwischentöne in ihrem Film. «Je suis Karl» ist alles in allem so subtil wie die Paketbombe in der Berliner Wohnung.
Ein trojanisches Kinothriller-Pferd, das seine Warnung vor den attraktiven, smarten, europaweit vernetzten Jung-Faschisten schliesslich laut knallend auf die Leinwand tritt.
Gegen wirkungsvolles, mitreissendes Kino wäre erst mal nicht viel einzuwenden. Allerdings muss sich Regisseur Schwochow zumindest den Vorwurf machen lassen, dass er ähnlich plakativ und verführerisch arbeitet wie die Kräfte, vor denen er offensichtlich warnen möchte.
Kinostart: 30.9.2021