Am 18. Oktober 2016 wäre der deutsche Schauspieler Klaus Kinski 90 Jahre alt geworden. Und bereits jetzt, einige Wochen später, jährt sich sein 25. Todestag.
Die Würdigungen in den Medien fallen diesmal weit spärlicher aus als noch vor fünf oder zehn Jahren. Der Grund dafür ist unschön: Die Enthüllung von Kinskis ältester Tochter Pola, sie sei von ihrem Vater jahrelang sexuell missbraucht worden, wiegen schwer.
Weglächeln statt hinschauen
Ob nun wahr oder nicht: Kinski selbst hat aus seinem aggressiven Sexualtrieb nie ein Geheimnis gemacht. Schon seine 1975 erschienene Autobiografie «Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund» war randvoll mit expliziten, teils grotesken Schilderungen.
Nur wurde das Buch damals als die versaute Eulenspiegelei eines notorischen Faktenverdrehers weggelächelt. Um den tatsächlichen Wahrheitsgehalt schien sich niemand zu kümmern.
Hohe Ansprüche
Weglächeln, das geht heute nicht mehr so einfach. Kinski abtun wollen als eine schrille, obszöne Kirmes-Attraktion zwischen Genie und Wahnsinn: Das greift heute zu kurz.
Denn trotz seinem Hang zum Querulantentum für mediale Aufmerksamkeit steckte in Kinski auch ein Künstler mit hohen Ansprüchen an sich selbst.
Werner Herzog, unter dessen Regie Kinski mehrere Male zur schauspielerischen Höchstform auflief, hat in seinem Dokumentarfilm «Mein liebster Feind» (1999) versucht, ein differenziertes Porträt abzugeben.
Schwer zu bändigen
Unter den zahlreichen Menschen die mit Kinski gearbeitet und gelebt haben, sind im Lauf der Zeit auch viele andere zu ihrem Verhältnis mit dem Mann befragt worden, insbesondere von den beiden Kinski-Biografen Peter Geyer und Christian David.
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Dabei sind sich fast alle Zeitzeugen in einer Sache einig: Kinski war zwar auch abseits der Kameras ein schwer zu bändigender Mensch; ein getriebenes, launenhaftes Geschöpf mit narzisstischen Störungen. Aber eben auch: Eine faszinierende, intensive und emotional fordernde Persönlichkeit.
Auch schöne Erinnerungen
Die britische Schauspielerin Margaret Lee etwa, die in von 1966 bis 1971 für italienische Produktionen mehrmals mit Kinski vor der Kamera stand, erinnert sich in einem Kinski-Fanblog an einen guten, einfühlsamen Freund, dessen schwieriges Verhalten sie auf Rückschläge in seiner Kindheit zurückführte.
Er sei zudem ein Perfektionist gewesen, der sich halt manchmal lautstark über die schludrige Arbeitsweise auf dem Set aufregen konnte.
Er konnte seinen Text
Auch der spanische Regisseur Jess Franco, für den Kinski in den 1970er-Jahren die Rolle des Jack the Ripper spielte, hatte 2008 in einer Fragestunde nur Lob für den Darsteller übrig.
«Legenden zufolge soll er ja ein Hurensohn gewesen sein, aber davon weiss ich nichts. Auf dem Set war er pünktlich und konnte seinen Text. Dirigieren liess er sich zwar ungern, aber wenn man ihn menschlich behandelte, dann gab er das immer zurück. Er war ein fantastischer Schauspieler und ein fantastischer Mensch.»
Sendung: SRF 4, Tageschronik, 23.11.2016, 10:55 Uhr