Das Ermittlerduo Rosa Wilder und Manfred Kägi ist zurück im verschneiten Bergdorf Oberwies. Dort, wo alles begann. Dort, wo manche etwas wissen. Dort, wo niemand etwas sagt.
Diesmal liegt ein Dorfpolizist tot im Wald, im überschlagenen Dienstfahrzeug. War das ein nächtlicher Unfall ohne Fremdeinwirkung? Wohl kaum.
Alte Bekannte, neuer Regisseur
Die einheimische Rosa ist ausser Dienst. Kägi ist nicht ortsansässig. Dass die beiden auf den Fall angesetzt werden, bedarf einiger Drehbuch-Kniffe. Aber wen kümmert’s: Hauptsache, die beiden ermitteln wieder.
Und das geschieht in einer Staffel, die nicht mit Höhepunkten geizt.
Zuerst: Der Regisseur ist neu. Die Zügel in der Hand hatte diesmal Genre-Spezialist Claudio Fäh, ein Mann mit Zentralschweizer Wurzeln, der vorwiegend in Los Angeles arbeitet.
Spannung ja, Selbstzweck nein
Zu seinen Ansätzen sagt Fäh: «Ich wollte die ‹Wilder›-Welt nicht neu erfinden, sondern sie emotional und dramaturgisch weiter pushen». Genau so fühlt sich das beim Schauen an: Das Terrain ist gewohnt, aber die Spannungsregler werden nach oben gefahren.
Zur Bildsprache verweist Fäh lobend auf seinen Kameramann Tobias Dengler und fügt hinzu: «Die Ästhetik definiert sich aus dem Inhalt, der Story und den Figuren heraus.»
Intensiver als «Tatort»
Auch das bestätigt sich beim Visionieren: Obwohl die Nähe zum Horrorfilm stets gegeben ist, wird keine Effekthascherei betrieben. Alles dient dem Storytelling.
Gewalt wird vorwiegend angedeutet. Und die 4. Staffel bestätigt, was «Wilder»-Fans schon wissen: Bezüglich dramatischer Intensität und Charaktertiefe ist diese Serie den meisten Folgen von «Tatort» überlegen.
Geldgier und Gaunerkomik
Einer der Handlungsstränge fällt allerdings ab: Es geht um Wirtschaftskriminalität, um Absprachen im Baugewerbe. Das ist nicht per se uninteressant. Aber man ist sich im «Wilder»-Universum doch Abgründigeres gewohnt als geldgierige Männer mittleren Alters.
Dieser (vermeintliche?) Nebenschauplatz beansprucht viel Zeit, aber er bleibt kurzweilig: Der Cast interpretiert diese Szenen mit Gusto, und sie bieten Platz für auflockernde Gaunerkomik.
Action und Drama
Die Intrigen münden allerdings in einer Geiselnahme, die zum Aufregendsten gehört, was die Serie bisher zu bieten hatte. Fähs Action-Erfahrung macht sich bezahlt in dieser komplizierten, über 20 Minuten langen Sequenz.
Und dann ist da noch die – streng geheime – Auflösung des Falls: Sie enthüllt eine Familientragödie, die selbst für «Wilder»-Verhältnisse verstörend ausfällt.
Claudio Fäh: «Wir muten dem Publikum einiges zu. Das darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Aber wir haben versucht, es ehrlich, nüchtern und mit offenen Augen darzustellen.»
Hervorragender Cast
Der Abschied von «Wilder» fällt schwer. Das hat auch damit zu tun, dass der Cast so gut ist wie noch nie: Spale und Signer tragen ihre Figuren mittlerweile wie eine zweite Haut, und auch die weiteren neuen und alten Cast-Mitglieder leisten Ausserordentliches.
Wer Claudio Fäh bislang nur als Action-Regisseur kannte, darf sich daher merken: Der Mann ist auch ein Ass in Sachen Schauspielführung.