«Dissidente, ethische» Pornofilme produzieren: Das hat sich die Lausanner Produktionsfirma Oil Productions auf die Fahne geschrieben – und dazu auch gleich ein Manifest verfasst.
Was den Gründerinnen und Gründern beim Porno-Produzieren wichtig ist, erläutern sie auch im Dokumentarfilm «Ardente-x-s» eloquent. Vor allem Melanie, die ihren Geldjob als Verkäuferin in einem Laden für Käsespezialitäten liebt.
Sie versteht es grossartig, die Freude und die Lust am angst- und unterdrückungsfreien Pornodreh zu vermitteln. Die queere Frau hat Oil Productions zusammen mit ihren Freundinnen und Freunden gegründet.
Oberstes Gebot: absolutes Vertrauen
Regisseur Patrick Muroni hat für seinen ersten Langdok ein perfektes Vertrauens- und Freundschaftsverhältnis zu seinen Protagonistinnen und Protagonisten aufgebaut. «Safe Space» ist der zentrale Begriff: absolutes Vertrauen und Rücksichtnahme bei jeder Handlung, jedem Versuch, jedem Dreh.
Das teilt sich in diesem ansteckend fröhlichen, positiven Dokumentarfilm immer dann mit, wenn darüber geredet wird, was die Absichten sind: die Wünsche, die Reaktionen und auch die Erlebnisse, etwa bei Vorführungen in Berlin.
Bondage als fröhliches Happening
Die Experimentierfreude und die Lust vermitteln sich auch bei den expliziten Drehs, die Muroni dokumentiert. Insbesondere bei Aussenaufnahmen in Italien, die zugleich so etwas wie eine Abschiedsreise für die Gründerinnen und Gründer sind.
Da wird eine Bondage-Szene an einem Baum in lauschiger Wiese zum fröhlichen Happening, ebenso wie ein fröhliches Pissritual über die Windschutzscheibe des knallgelben VW-Transporters.
Kein Machtgefälle, aber auch keine Tiefe
Weniger einfach zu vermitteln ist dagegen, was diese Pornos und Happenings, Performances und Dreharbeiten schliesslich beim Publikum auslösen können oder sollen. Das liegt einerseits daran, dass die Grundkonstellationen des klassischen Pornos – Dominanz und Unterwerfung, Verfügbarkeit der Körper und das Spiel mit klaren Machtverhältnissen – in diesen Oil Productions tatsächlich entfällt.
Was zu sehen ist, sind ritualisierte Inszenierungen. Und die zeigen auch Dominanzgesten wie Peitschen, Bondage oder Penetration mit völliger Selbstverständlichkeit als gleichberechtigt und einvernehmlich.
Damit entfällt allerdings jegliche Personenbeziehung. Die handelnden und die passiven Figuren bekommen keine weitere Dimension, keine Persönlichkeit. Die dargestellte demonstrative Lust ist eine Abstraktion, die sich mitteilt oder eben nicht.
Fantasien im Gebüsch
Wie das auch anders funktionieren könnte, erklärt Melanie einmal ganz nebenbei: Als sie ihren beiden Freundinnen erzählt, wie sie fröhliche Spatzen im Gebüsch beobachtet habe und beim Gedanken daran, dass zwei der Tiere gerade am Vögeln seien, selber zum spontanen Orgasmus gekommen sei.
Dieser indirekte Rapport öffnet mehr erotischen Gedankenraum als jede sichtbar gefilmte Handlung.
Ein Film mit Missionsgedanken
«Ardente-x-s» ist ein ausgesprochen gelungener Dokumentarfilm, weil er nachvollziehbar vermittelt, was die Gruppe sucht, was sie vermeiden will und wie sie das angeht. Gelungen ist er auch, weil ihre positive Fröhlichkeit zeigt, dass sie ihre Ziele offensichtlich immer wieder erreicht und den Missionsgedanken dahinter auch vermitteln kann.
Wer von dem Film mehr erwartet – nämlich den autonomen Nachvollzug der Lusterfahrungen – ist möglicherweise mitten in einem durchaus erwünschten Erkenntnisprozess.