Ab sofort ist Berlin wieder für knapp zwei Wochen das Zentrum der Filmwelt. Genauer: der Filmwelt ausserhalb von Hollywood. Denn die Traumfabrik trägt herzlich wenig zum diesjährigen Programm der Berlinale bei.
Stark vertreten sind dagegen Filme aus Asien und Deutschland. Darauf ist das Festival unter der Leitung von Dieter Kosslick stolz. Die Brücke nach Asien hatte bereits Kosslicks Vorgänger Moritz de Hadeln geschlagen. Die Förderung einheimischer Filmkunst war auf der Berlinale dagegen lange verpönt gewesen.
Kosslick, der Teutone
Mit Kosslick änderte sich dies schlagartig. Er gab dem einheimischen Kino sofort mehr Raum. Das zahlte sich rasch aus.
Unvergessen, als Fatih Akin 2004 mit «Gegen die Wand» den Goldenen Bären gewann. Für Akin war es der Start einer internationalen Karriere, die ohne Kosslick wohl nicht möglich gewesen wäre.
Mit «Der Goldene Handschuh» geht Akin nun erneut ins Rennen um den Goldenen Bären. Akins Kneipenfilm ist einer von insgesamt drei deutschen Filmen im Wettbewerb.
Kosslick, der Zuschauermagnet
Ein weiteres Verdienst des abtretenden Direktors: Unter Kosslick florierte die Berlinale. Zumindest sagen das die nackten Zahlen. Jahr für Jahr wurden mehr Tickets verkauft. 2018 besuchten 340'000 Zuschauer das grösste Publikumsfestival der Welt. Das sind fast doppelt so viele wie bei Kosslicks Amtsantritt.
In cinephilen Kreisen konnte Stimmungskanone Kosslick weniger punkten. Diese warfen dem Festival Wildwuchs vor und bemängelten das unklare Profil diverser Sektionen. Auch deshalb kommt es 2020 zu einer klaren Zäsur.
Carlo Chatrian soll als neuer künstlerischer Leiter der Berlinale das schaffen, was Kosslick nie gelang: Punkto Renommee und Relevanz zu Cannes und Venedig aufzuschliessen.
Gesucht und gefunden: die Schweiz
Apropos leicht im Hintertreffen: Die Schweiz konnte in diesem Jahr keinen Platz im Wettbewerb ergattern.
Abgesehen von Kacey Mottet Klein, der im Bären-Anwärter «L’adieu à la nuit» mitspielt. Notabene an der Seite von Catherine Deneuve. An die Auftritte des erst 20-Jährigen haben wir uns bereits gewöhnt: Es ist schon sein vierter in einem Berlinale-Film.
Wer in Berlin waschechte Schweizer Filme sucht, findet sie in den zahlreichen Nebensektionen. Zum Beispiel eine aus Archivbildern montierte Reflexion über Selbst- und Fremdbilder: «African Mirror» von Mischa Hedinger zeigt auf, wie prägend die Aufnahmen des Schweizers René Gardi waren.
Schweizer Kindermund tut Wahrheit kund
Besonders vielversprechend: «Where We Belong» von Jacqueline Zünd. Stimmungsvoll inszeniertes Kino, das Kindern getrennter Eltern das Wort gibt.
Was die Kids von sich geben, mag ungehobelt klingen: «Für mich auf jeden Fall, ist es das Schlimmste, wenn man mir sagt: Entscheide dich zwischen deiner Mama und deinem Papa. Dann denke ich mir jeweils: Hallo, bist du irgendwie blöd?»
Welch Glück, dass man hier in Berlin um die Poesie solch wunderbar rauer Sätze weiss.