David ist seiner Freundin Jessy ein liebevoller, sorgloser Partner. Aber als sie ihm beim Sex eröffnet, dass sie schwanger ist, verfällt er erst einmal in stumme Panik. Und als die beiden in der S-Bahn von einem Schläger traktiert werden, steht sein Entschluss fest: Es Zeit, zum Mann zu werden – zum Muskelpaket, zum Zurückschläger.
Der Weg, den David heimlich wählt, führt über Krafttraining und Steroide. Die Kombination pumpt ihn allerdings nicht nur in kurzer Zeit auf, sie macht ihn auch unkontrollierbar aggressiv und impotent – womit der beziehungsbedrohende Teufelskreis etabliert wäre.
Hohes Tempo
Regisseur Dominik Locher und sein Drehbuch-Koautor Ken Zumstein verlieren keine Zeit. Die Exposition des Filmes ist schnell, präzise und radikal. Locher legt in den ersten Szenen ein souveränes Tempo hin, etliche Szenen sind elliptisch geschnitten.
Als Reaktion auf Jessys Schwangerschaftseröffnung springt David aus dem Bett, zieht sich an, stopft ein paar Schuhe in eine Tasche und geht zur Wohnungstür. Nach dem nächsten Schnitt steht er dann allerdings doch in der Küche und redet mit Jessy darüber, was zu tun wäre.
Diese Zeitsprünge und Handlungsverdichtungen schaffen sehr schnell einen guten Einblick in die Beziehung, welche die beiden bisher geführt haben, und in die Probleme, die sie wie jedes junge Paar mehr oder weniger ausgeprägt mit sich tragen.
Auf Wutausbrüche folgen Entschuldigungen
Mit der beginnenden Verwandlung des liebevoll unsicheren David in den explosiven, aggressiven Goliath wird das Tempo aber zu einem Problem des Films. Schauspielerisch und maskentechnisch ist das alles beeindruckend direkt, fast rücksichtslos effizient.
Eine andere Frisur und etwas nachgeschminkte Augen verwandeln Sven Schelker bei Bedarf in den Hulk, der in ihm schlummert. Dabei helfen auch Szenen wie sein Wutanfall an der Supermarktkasse, als sich herausstellt, dass die Unmenge an Poulets, die er aufs Band gelegt hat, nicht mehr in Aktion zu haben ist, wie er glaubte. Frustriert fegt er alles vom Band und stürmt aus dem Laden, Jessy bleibt zurück, um die Gemüter zu beruhigen.
Dass die Wutszenen und die darauf folgenden Entschuldigungen und Beteuerungen immer schneller aufeinander folgen, gehört einerseits zur Struktur von Goliath, die in ihrem Erzählbogen vielen Junkie- und Alkoholikerdramen der Filmgeschichte folgt. Repetition steigert Bedrohung.
Keine Hoffnung auf eine Wendung
Andererseits tappen Locher und Zumstein damit auch in die Falle, welche die wenigsten Vorgänger erfolgreich umgehen konnten: Das Wechselbad von Wut und Verzweiflung, Beteuerung und Rückfall verhindert die dringend benötigten Zwischenphasen, in denen das Vertrauen tatsächlich wiederhergestellt werden könnte. Das von Jessy in David, aber auch das des Kinopublikums in eine mögliche Wendung in der Geschichte.
An Effizienz und Konsequenz mangelt es dem Film hingegen überhaupt nicht. Locher peitscht den Absturz seines Goliaths voran, die schematisch gezeichneten, aber gut gespielten Nebenfiguren wie Jessys ungeliebter Stiefvater (Jürg Neuenschwander) oder Ludo (José Barros), Davids Dealer, Trainer und Höllenhund-Freund helfen dabei.
Bewundernswerter Mut
Was fehlt, ist eine Vertraute oder Freundin für Jessy, eine Standard-Figur in diesen Konstellationen, welche dabei helfen würde, ihre bis fast zuletzt nie ganz verlorene Geduld nachzuvollziehen. Dass der Film darauf verzichtet, ist vielleicht sein radikalster Zug, und im Hinblick auf die konsequente Steigerung der Geschichte auch bewundernswert mutig.