Die Berlinale macht ihrem Ruf, das politischste aller Filmfestivals zu sein, in diesem Jahr alle Ehre. Mit vielen Leinwandwerken, die Putins Angriff auf die Ukraine thematisieren. Am meisten Interesse dürfte dabei Sean Penns Dokumentation «Superpower» wecken.
«Die Berlinale findet exakt ein Jahr nach dem Kriegsausbruch statt», hält Festivalleiter Carlo Chatrian hierzu fest. Den anwaltschaftlichen Film der kontroversen Hollywood-Ikone hier zu zeigen, mache aufgrund Berlins geografischer Lage besonders viel Sinn: «Weil viele Leute aus der Ukraine hier leben und weil die politische Ausrichtung der Doku unserem Festival entspricht.»
Nähe zu Wolodimir Selenski und seinem unter Beschuss geratenen Land signalisiert die Berlinale auch mit ihrem Pin: Dieser erstrahlt heuer nicht wie sonst üblich in Gold, sondern in den Nationalfarben der Ukraine: blau und gelb.
Becker und Spielberg – eine Klasse für sich
Im internationalen Wettbewerb werden 18 Filme um den Goldenen und die Silbernen Bären konkurrieren. Die bedeutendste Sektion der Berlinale schöpft in diesem Jahr die Formenvielfalt voll aus: Neben den üblichen Dramen und Historienfilmen hat Carlo Chatrian auch Komödien (wie Matt Johnsons «BlackBerry»), Dokus (wie Nicholas Philiberts «Sur l’Adamant») und Animes (wie Makoto Shinkais «Suzume») selektioniert.
Etwas weniger vielfältig ist das Feld der eingeladenen Kreativen: Fast die Hälfte der Personen, die für den Hauptpreis infrage kommen, gehen zum wiederholten Male auf Bärenjagd. Lediglich drei Debüts sind auf der grössten Bühne zu sehen. Zudem wurde nur ein Drittel der Wettbewerbsfilme von Frauen inszeniert. Dafür kriegt Publikumsliebling Steven Spielberg einen Goldenen Ehrenbären für sein noch immer munter wachsendes Lebenswerk.
Punkto öffentliches Interesse ebenfalls in einer eigenen Liga spielt Deutschlands skandalumwitterte Tennisikone Boris Becker. Der sechsfache Grand-Slam-Champion, der 2022 wegen Vermögensdelikte inhaftiert wurde, befindet sich bekanntlich erst seit kurzem wieder auf freiem Fuss. Man darf gespannt sein, ob Alex Gibneys Dokumentation «Boom! Boom! The World vs. Boris Becker» so knallig und kontrovers wird, wie es der Titel verspricht.
Schweizer Akzente allerorten
Und wie schlägt sich die Schweiz? Bei nicht weniger als zehn Weltpremieren können Spuren helvetischen Filmschaffens ausgemacht werden. Oft handelt es sich dabei um europäische Koproduktionen.
Im internationalen Wettbewerb passen gleich zwei Titel in diese Kategorie: Margarethe von Trottas Biopic «Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste» und Philippe Garrels «Le grand chariot». Also Daumen drücken für diese beiden Filme: Ersterer wurde von Tellfilm und SRF koproduziert, letzterer von der Genfer Close-Up-Films-Gründerin Joëlle Bertossa und RTS.
Auch in den wichtigsten Nebenreihen hatten oft Schweizer Produzentinnen ihre Hände mit im Spiel: zum Beispiel Anne Walser (C-Films) bei Frauke Finsterwalders «Sisi & Ich» (ebenfalls von SRF koproduziert) mit Stefan Kurt und Sophie Hutter in Nebenrollen. Oder Elena Tatti (Box Productions), die gleich mit zwei Filmen des französisch-iranischen Regisseurs Mehran Tamadon vertreten ist: «Mon pire ennemi» und «Là où Dieu n’est pas».