Die Neugier war gross auf die Comic-Verfilmung aus dem DC Extended Universe, die den Werdegang des Batman-Antagonisten Joker zeigt. Vor allem die Neugier auf eine Frage: Schafft es Joaquin Phoenix, dieser dermassen vom verstorbenen Schauspieler Heath Ledger besetzten Figur ein neues Gesicht zu verleihen?
Zu forciertes Spiel
Wenn das einer könnte, dann Joaquin Phoenix. Sein Spiel kann gleichzeitig nuanciert und verrückt genug sein. Er beherrscht leise Töne ebenso wie die totale Verausgabung. Leider ist dieser Joker etwas zu fest mit ihm durchgegangen. Sein Spiel ist zu forciert, zu exzessiv verrückt.
Wäre «Joker» tatsächlich als grellbunte Comic-Verfilmung inszeniert: Die Figur, so wie Phoenix sie spielt, hätte durchaus ihre Berechtigung. Denn Phoenix kann spielen, keine Frage. Er gibt diesem Joker auch eine ganz andere Haltung und Verrücktheit als Ledger.
Ein Spagat, der scheitert
Manchmal sind sie auch da, die feinen, stillen Momente – und dann ist er besonders gut. Aber dann wieder läuft die sehr schräge Exaltiertheit, die Phoenix dem eigentlich schüchternen Mann verleiht, der Absicht des Films zuwider.
Todd Philips Version von Jokers Geschichte versucht den Spagat zwischen schrägem Comic und psychologischer, tiefgründiger und nachvollziehbarer Biografie. Und scheitert leider genau daran.
Lachen, auch wenn es zum Weinen ist
«Joker» ist die Geschichte von Arthur Fleck: Ein todtrauriger, einsamer Mensch, der noch bei seiner Mutter wohnt und dessen grösster Traum es ist, als Stand-Up-Comedian zu reüssieren.
Fleck hat eine neurologische Störung: Wenn er emotional bewegt ist oder sich zu fest aufregt, überkommt ihn ein unkontrollierbares irres Lachen – auch in Momenten, in denen ihm eigentlich zum Weinen ist.
Fleck scheitert, wo er nur scheitern kann. Er wird immer wieder gedemütigt und erniedrigt – bis er eben zum Joker wird, dem späteren Oberschurken von Gotham City und grossen Widersacher Batmans.
Der Mörder als bedauernswertes Geschöpf
Der Spagat zwischen psychologischer Studie und Comicverfilmung gelingt überhaupt nicht. Dabei wäre ersteres durchaus interessant gewesen. Aber dafür hätte es leisere Töne gebraucht, sowohl in der Inszenierung, als auch im Spiel von Joaquin Phoenix als Arthur: Dessen irres Lachen nervt schon beim dritten Ausbruch unglaublich (und es gibt noch viele davon).
Noch fragwürdiger ist die Anlegung der Figur des Jokers: Der Film vermittelt volles Verständnis für die Figur, die nur von einem schlechten Umfeld und einer bösen Gesellschaft zum Soziopathen gemacht wird. Er weicht bis zum Ende nicht von dieser Haltung ab, irgendwie sei dieser zum Mörder mutierte Clown doch ein bedauernswertes Geschöpf.
Ein brandgefährliches Fazit
Dass die Geschichte eingepackt ist in eine Art Gesellschaftskritik, hilft nicht – im Gegenteil. Sie vermittelt eine Gesellschaft, in der nur Raubtiere bestehen können. Der Spruch des Philosophen Thomas Hobbes, «homo homini lupus» (der Mensch ist dem Mitmenschen ein Wolf), wird am Ende nicht als Kritik im Raum stehen, sondern als einzig mögliche Lösung.
Wenn Gotham ein Bild für unsere heutige Welt sein soll oder zumindest für die USA, dann ist Todd Philips’ Film eine traurige Bestandsaufnahme mit einem brandgefährlichen Fazit: Es sind nicht mehr die Batmans dieser Welt, denen die Sympathien der Menschen zufliegen, sondern die Clowns, Joker und Bösewichte.
Sie versucht dieser Film zu verstehen, ihr Handeln durch eine traurige und sympathisierende Biografie zu legitimieren, sie zu humanisieren. Zumindest macht der Film verständlich, warum Clowns und Joker aktuell einen so grossen Rückhalt geniessen und überall in die Politik gewählt werden.