Joana Mallwitz, Mirga Grazinyte-Tyla oder Susanna Mälkki: Das sind die weiblichen Pultstars der Gegenwart. Doch noch bis vor Kurzem war der Beruf des Dirigenten eine reine Männerdomäne. Eine Frau mit Taktstock galt als Sensation, in den 1920er-Jahren sogar als abnormal und unweiblich.
Davon erzählt der Film «Die Dirigentin», der auf der wahren Geschichte von Antonia Brico basiert. Brico wird 1902 in Rotterdam geboren, wächst ab dem 6. Lebensjahr bei Pflegeeltern in den USA auf, studiert zunächst Klavier und wird ausgelacht, als sie einen Dirigierlehrer sucht. Aber 1930 debütiert sie bei den Berliner Philharmonikern.
Die harte Tour
«Was wirst du tun, damit diese 100 Männer deiner Leitung folgen?», fragt der Dirigent Karl Muck seine Schülerin im Film in Vorbereitung auf dieses Konzert. Antonia Brico wählt die harte Tour. Im Dirigierstil wie im echten Leben.
Sie habe Antonia Brico in ihrem Film so zeigen wollen, wie sie tatsächlich gewesen sei, sagt Regisseurin Maria Peters. Als junge Frau, die ihren Weg geht. Und die sich trotz vieler Rückschläge und Hindernisse, nicht davon abbringen lässt.
«Antonia Brico wickelte die Leute um den kleinen Finger. Und auf eine charmante Art und Weise war sie auch ein bisschen dominant», so Peters.
Gebrochenes Herz
Die Regisseurin hält sich in ihrem Biopic weitestgehend an historische Fakten. Viele Szenen sind an den Dokumentarfilm «Antonia: A Portrait of the Woman» (1974) und an überlieferte Aussagen Bricos angelehnt. Aber Peters hat sich auch Freiheiten genommen und zum Beispiel fiktive Begegnungen eingebaut.
So verliebt sich Antonia Brico im Film in einen Konzertmanager. Als er ihr einen Heiratsantrag macht, trennt sich von ihm. Diese erfundene Geschichte stehe stellvertretend für die Liebesbeziehungen, die Antonia Brico wirklich hatte, sagt Maria Peters.
Sie sei nie eine dauerhafte Beziehung eingegangen: «Sie hatte sich für die Musik und ihre Karriere entschieden und ihr Privatleben für ihre Karriere geopfert.»
Ein filmreifes Leben
Antonia Bricos Leben hätte viele filmreife Geschichten parat gehalten: In New York stellt sie ein Adhoc-Orchester auf die Beine. Und das nur, um Arthur Rubinstein und Bruno Walter von ihren Fähigkeiten zu überzeugen.
Sie besuchte ihr Idol Albert Schweitzer mehrmals in Afrika. Jean Sibelius hat sie für ein Konzert nach Finnland eingeladen und als seine «sechste Tochter» bezeichnet.
Kein glamouröses Ende
Maria Peters beschränkt sich für ihr Biopic aber auf den Teil ihres Lebens, in dem Brico den ersten Schritt zur Dirigentin macht, bis hin zur Gründung der New York Women’s Symphony 1934, einem reinen Frauenorchester, das sogar von der damaligen Präsidentengattin Eleanor Roosevelt unterstützt wurde.
Im Abspann verrät die Regisseurin, dass Antonia Bricos Leben nicht ganz so glamourös weiterging. Als Gastdirigentin leitete sie zwar namhafte Orchester. Doch trotz dieser Erfolge musste sie sich als Klavierlehrerin durchschlagen. Es gelang ihr nicht, sich als Chefdirigentin eines grossen Orchesters zu etablieren.
Ein Vorbild
2020, fast ein Jahrhundert nach Antonia Brico, gehören immerhin einzelne Frauen zu den Pultstars der Gegenwart. Antonia Brico habe ihnen dafür den Weg geebnet, ist Maria Peters überzeugt. Auch wenn sie heute beinahe vergessen ist, sei sie ein Vorbild für angehende Dirigentinnen.
Eigentlich für uns alle: «Wir ringen ja alle manchmal mit uns, fragen uns, ob wir gut genug sind. Antonia Brico hat einfach ihren Plan verfolgt. Das macht Mut.»