In Baden beginnt heute die 16. Ausgabe des Animationsfilmfestivals Fantoche. Gleichzeitig feiert die Schweizer Trickfilmgruppe – das Groupement Suisse du Film d’Animation (GSFA) – dieses Jahr den 50. Jahrestag.
Deshalb ist in Baden nicht nur eine grosse Zahl neuer Animationsfilme zu sehen, sondern auch die Ausstellung «Swiss Animation – Bewegt!» im Kunstraum Baden.
Courgette in Einzelteilen
An den Wänden hängen viele grosse Boards mit Zeichnungen. Auf einer sind lauter Hände in verschiedenen Posen zu sehen, auf einer anderen Georges Schwizgebels Erlkönig mit dem Kind am Arm.
Im Raum in einer Art übergrossen Puppenstube steht der kleine Junge Courgette aus dem gleichnamigen Animationsfilm-Hit von Claude Barras. Neben der Courgette-Puppe liegen diverse Utensilien wie Hände oder Augenbrauen.
Da sind Skizzen von Szenen, die uns bekannt vorkommen, aber die wir von den Filmen anders in Erinnerung haben.
Die Ausstellung ist eine Wundertüte voller Wiederbegegnungen. Aber für einmal sind nicht die fertigen Produkte zu sehen, sondern all die Vor- und Zwischenstufen – grafische und puppenbildnerische Mini-Kunstwerke, welche die Räume und Wände imaginär in Bewegung setzen.
«So viele Originale wie möglich»
Dabei war nicht die Geschichte der Schweizer Animation gesucht, sondern ein Blick in die Werkstatt, sagt Monica Stadler vom der GSFA: «Der Verband wollte bewusst nicht etwas zeigen, das vergangen ist, sondern die Aktualität. Eine Bedingung war, dass die Projekte der Ausstellenden nicht älter als fünf Jahre sind.»
Was da an den Wänden hänge, komme zum grössten Teil aus den Werkstätten der Verbandsmitglieder, sagt Rolf Brönnimann, der die Ausstellung konzipiert hat: «Das meiste sind Originale. Wir wollten so viele Originale wie möglich. Das ist allerdings nicht ganz einfach, weil viele Animatoren digital arbeiten.»
Klar: Ob man ganz klassisch hunderte von Zeichnungen auf Papier in Einzelbildschaltung fotografiert oder diese gezeichneten Phasen lieber direkt am Bildschirm entwirft, ist auch eine Frage des Aufwands, der Helferinnen und Helfer und der finanziellen Möglichkeiten.
Magnetische Pupillen
In der Ausstellung sind die im Raum stehenden Vitrinen mit den kleinen Puppen und ihrem Zubehör die ersten Publikumsmagnete – ganz wörtlich im Fall der kleinen Hirschpuppe, neben der eine Pillendose mit verschieden grossen schwarzen Punkten liegt.
«Das ist der Film ‹Imposteur› von Eli Chapuis», erklärt Rolf Brönnimann. «Diese kleinen schwarzen Dinger sind die Pupillen, die er beim Animieren je nach Ausdruck seiner kleinen Puppe aufs Auge klebte. Diese Punkte sind magnetisch.»
Die schiere Geduld und der unglaubliche Aufwand beim Animieren ringen Bewunderung ab. Schliesslich braucht es für jede Sekunde Film rund 24 einzelne Bilder.
Gerade die Puppentrickfilmer seien Geduldsmonumente, sagt Rolf Brönnimann: «Diese Leute sind wahnsinnig. Das sieht man auch beim Courgette-Exponat. Das ist verrückt.»
Filmemacher live bei der Arbeit
Während der Ausstellung sind auch immer wieder Animations-Filmerinnen und -Filmer an der Arbeit zu beobachten.
Vor Werkspionage habe sie keine Angst, sagt Maja Gehrig, von der etwa die zwei Holzpuppen in «Amourette» stammen, die sich 2009 auf Schleifpapier voller Leidenschaft aus der Welt geraspelt haben: «Die Idee und die Technik sind das eine. Das andere ist der lange Atem, den man braucht, um während drei oder vier Jahren die Werke umzusetzen.»
Geheimnisse gäbe es vielleicht punkto Materialien und Giesszusammensetzungen von Puppen. «Sonst ist es der eigene Stil, und es geht darum, eine eigene Welt zu erschaffen. Das ist sehr individuell und nicht kopierbar», so die Trickfilmerin.
Annette Schindler, die das Badener Animationsfilmfestival leitet, ist begeistert von der Ausstellung. Die vielfältige Dokumentation der Arbeitsprozesse, die zu den fertigen Filmen führten, passe bestens ins aktuelle Festivalkonzept.
«Dieses Jahr setzen wir uns bei Fantoche auch damit auseinander, wie der Kontrast zu bewältigen ist zwischen Live und Konserve», sagt Annette Schindler: «Ich finde, diese Brücke ist hier gut geschlagen. Weil wir hier das sehen, was zum Film führt. Und es ist schon verblüffend, wie viel von dieser Liebe zum Detail, von der Feinheit und Leidenschaft auch in diesen Objekten zu spüren ist.»