«Wir haben beim Schnitt einige eindrückliche Kletterszenen weggelassen. Aber dafür gab es einen guten Grund», sagt die polnische Dokumentarfilmregisseurin und Bergsteigerin Eliza Kubarska.
Der Grund ist wirklich gut: Kubarska erzählt die Bezwingung der Ostwand des fast-8000er-Bergs Kumbhakarna nicht als eine Heldengeschichte. Der Film nimmt die Sicht eines Sherpas ein, der das Unterfangen als quasi blasphemisch beurteilt.
Eine Expedition wegen des Geldes
«The Wall of Shadows» beginnt mit einer Sage: Beim Kumbhakarna soll es sich um drei versteinerte Brüder handeln. Der Berg sei ein Heiligtum. Wer ihn besteigen wolle, begehe ein Sakrileg. Es wird nicht ganz klar, ob der erfahrene Bergführer Ngada Sherpa das alles glaubt.
Klar ist aber: Er begleitet diese waghalsige Expedition, die zwei Russen und ein Pole planen, vor allem wegen des Geldes. Sein Sohn möchte unbedingt Arzt werden, und Ngada hat zu wenig Geld, um ein Medizinstudium zu finanzieren.
Geerdete Mythen
Mit dieser Ausgangslage setzt Kubarska ein vielschichtiges Narrativ in Gang: Einerseits geht es im Film um Aberglaube, Spiritualität und Mythos. Aber nichts davon wirkt verklärend oder esoterisch.
Der Glaube der Sherpas steht für einen gesunden Respekt vor der Natur. Zudem ist dieser Glaube geerdet in einer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Realität.
Das ist eine ungewohnte Sicht auf den Extremalpinismus: Es geht nicht allein um den heroischen Menschen, der am steilen Fels Übermenschliches vollbringt, sondern es geht – zumindest für den Sherpa – auch darum, das alles mit grösstmöglicher Ehrfurcht, Behutsamkeit und Umsicht zu tun.
Die Männer, die er begleitet, mögen Stars in der internationalen Szene sein – er selbst verdient hier seinen bescheidenen Lebensunterhalt.
Was ist mit der Pionierleistung?
Die westlichen Extremsportler scheinen zu ahnen, dass sie nur Nebenfiguren in diesem Projekt sind: «In diesem Film geht es gar nicht wirklich ums Bergsteigen», sagt der eine zum anderen in einem Moment, in dem sie sich unbeobachtet fühlen. «Es geht um Menschen».
In diesen Worten schwingt etwas Enttäuschung mit. Was ist mit den technischen Errungenschaften? Was ist mit der Pionierleistung?
Doch Kubarska hat diese Aspekte nicht vergessen: In der zweiten Filmhälfte gibt es genügend atemberaubende Szenen, in denen bei starkem Wind durch Schneewände gestreift und in Felsen gehangen wird.
Irgendwann tritt auch der alte Mythos wieder zutage: Der heilige Berg scheint zu erwachen und seine Bezwinger abschütteln zu wollen. Es kommt zur klassischen Alpinistenfrage: Zelte abbrechen oder weitermachen?
Geht der Traum in Erfüllung?
Doch die Kernfrage, die von «The Wall of Shadows» bleibt, ist eine andere, viele menschlichere: Wird Dawa, der Sohn der Sherpas, eines Tages tatsächlich in Kathmandu Medizin studieren können?
Eliza Kubarska und ihre Produzentin Monika Braid sagen dazu: «Selbstverständlich haben wir die Sherpa-Familie für ihre Mitarbeit am Film gut bezahlt – und für den Sohn haben wir sogar eine Crowdfunding-Aktion gestartet.»