«Spectre», die grösste terroristische Geheimgesellschaft des Bond-Universums, ist zurück. Wer die 007-Klassiker der 60er-Jahre gesehen hat, wird sich lebhaft an sie erinnern. Damals wurde die Organisation, deren Namen man in «Liebesgrüsse aus Moskau» mit «Das Phantom» übersetzte, von einem kriminellen Mastermind namens Blofeld geführt.
Heute heisst der «Spectre»-Oberschurke Oberhauser. Gewöhnlicher ist nicht nur sein Name, sondern auch sein Auftreten. Bedrohlicher als der Bösewicht wirkt dessen Ziel: die totale Überwachung. In einer solchen Welt, in der die Mächtigen alles sehen («Big Brother») und alles wissen («Big Data»), sind Spione wie Bond überflüssig. In «Spectre» kämpft der MI6-Agent also gewissermassen um seine Existenz.
Das stärkste Zitat
James Bond will sich in den Bergen einen Wodka Martini gönnen. Dummerweise befindet er sich in einer Wellness-Bar, die keinen Alkohol ausschenkt. Als ihm der Kellner schliesslich einen grünen Fruchtsaft mit gesund klingendem Namen auftischt, kommentiert Bond trocken: «Tun Sie mir den Gefallen und spülen sie diese Brühe für mich das Klo runter!»
Der Regisseur
«Spectre» ist nach «Skyfall» der zweite Bond-Film von Sam Mendes. Das erste Agenten-Abenteuer des 50-jährigen Engländers spielte sensationelle 1.1 Milliarden Dollar ein. Klar, dass Mendes von den Produzenten sofort um einen weiteren Regie-Einsatz gebeten wurde. Als Mendes zögerte, griff Hauptdarsteller und Koproduzent Daniel Craig höchstpersönlich zum Telefon. Bis zu fünfmal täglich belästigte Craig seinen Landsmann mit der gleichen Leier: «Drehst du Spectre? Bitte, bitte, tu es!» Irgendwann gab der gefeierte Inszenator nach, der anno 2000 gleich mit seinem ersten Spielfilm den Oscar abgeräumt hatte («American Beauty»). Trotz seines Erfolgs als Filmregisseur gehört das Herz des Ex-Mannes von Kate Winslet nicht dem Kino, sondern dem Bühne. Bereits mit 24 leitete er ein Theater in Chichester, mit 27 gründete er eins in London. Letztgenanntes, das «Donmar Warehouse», gehört heute zu den führenden Spielhäusern.
Fakten, die man wissen sollte
Das älteste Bond-Girl! (Gemeint ist die ewig junge Monica Bellucci.) Die meisten Statisten! (Allein in der Eröffnungssequenz in Mexiko wirken 2000 Personen mit.) Der erfolgreichste Filmstart Grossbritanniens! (Knapp 64 Millionen Dollar am ersten Wochenende.) Rekorde zu brechen, gehört beim offiziell 24. Teil der Agentenfilm-Reihe zum Konzept. Mit fast zweieinhalb Stunden ist «Spectre» der längste, mit geschätzten 300 Millionen Dollar Produktionskosten auch der teuerste Bond aller Zeiten. Insider sprechen gar vom teuersten Film überhaupt, da der bisherige Spitzenreiter «Pirates of the Caribbean 3» ebenfalls nicht mehr Geld verschlungen hatte. «Star Wars 7» ist mit seinem Budget von 200 Millionen dagegen schon fast ein Schnäppchen. Lange wird «Spectre» die Spitzenposition allerdings kaum verteidigen können: Die Produktion von «Avatar 2» (Kinostart 2017) soll ungefähr eine Milliarde Dollar kosten.
Das Urteil
Nach seinem vierten Abenteuer besteht kein Zweifel mehr: Daniel Craig ist ein perfekter Bond des 21. Jahrhunderts. Er teilt kräftig aus, aber man sieht ihm zugleich an, dass er schon viel einstecken musste. Nicht nur härter ist er geworden, sondern auch authentischer, menschlicher und reifer. Dazu passt, dass er sich zum ersten Mal auf eine Lady seines Alters einlässt (Bellucci ist 51, Craig 47) – bevor er sich dann doch in eine Jüngere verliebt (eine Ärztin, gespielt von der 30-jährigen Léa Seydoux). Inhaltlich ist der neuste 007 aktueller als je zuvor. Schliesslich kämpft Bond gegen das Schreckgespenst des digitalen Zeitalters schlechthin: die Überwachungsgesellschaft. Christoph Waltz flösst einem als Oberbösewicht Oberhauser dagegen kaum Angst ein. Der zweifache Oscarpreisträger ist nur auf dem Reissbrett die perfekte Besetzung. Auf der Leinwand kann er dagegen nicht mit Craigs bisherigen Gegenspielern mithalten: Mads Mikkelsen besass mehr Präsenz, Mathieu Amalric mehr Ausstrahlung und Javier Bardem mehr Energie als der Österreicher.
Kinostart: 5.11.2015