Arnaud des Pallières belässt die Geschichte von Michael Kohlhaas im 16. Jahrhundert, verlegt sie aber von Deutschland nach Frankreich, in die Sevennen. Ihn interessiert der von Bauernaufständen geprägte Übergang vom Feudalsystem zum aufgeklärten Staat, die Ko-Existenz von Katholiken und Protestanten und der justitiable Materialismus.
Und wo man bei der Lektüre von Kleists Novelle durchaus actionfilmmässige Gewaltorgien wittern kann, reduziert des Pallières diese Szenen auf ein kühles, kalkuliertes Töten, mit Angst und Zweifeln auf beiden Seiten.
Emotionen kommen durch den Kopf
Kohlhaas bleibt der reiche Pferdehändler, der erlittenes Unrecht durch einen jungen Adligen nicht hinnimmt, sondern klagt. Und nachdem das Gericht seine Klage abgewiesen hat, weil der Adelige gute Verbindungen zu den Richtern hat, wird er eben zum modernen Aufständischen. Er hat das Geld, die Wut und weiss das Recht auf seiner Seite… egal was es kostet: «Fiat iustitia, et pereat mundus» (Es soll Gerechtigkeit geschehen, und gehe die Welt darüber zugrunde).
So wird der Film denn nicht zu Highlander IV, obwohl manche der Aufnahmen in der wilden Pracht der Sevennen duchaus so aussehen, sondern zu einer verhaltenen, nüchternen, durchaus wirkungsvollen Thesenübung mit einem Touch von Bresson.
Gedreht mit zurückhaltenden Fantasiekostümen in historischen Gebäuden und Landschaften im heutigen Zustand, und in einer modernen Sprache (welche etliche der Darsteller, inklusive Mads Mikkelsen, keineswegs akzentfrei beherrschen), gelingt dem Film die Emotionalisierung seines Publikums mit dem Umweg über den Kopf.
Etwas trocken, mit wenig Humor gewürzt
Das ist manchmal ein wenig trocken, etwa wenn Bruno Ganz den Gouverneur der Königin von Navarra und Freund von Kohlhaas spielt, der versucht, zu retten, was zu retten ist, aber dem Gesetz verpflichtet bleibt.
Und manchmal, ganz selten allerdings, humorvoll. Ganz besonders, wenn des Pallières Sergi Lopez als rundlichen spanischsprechenden Bauer auf einem Esel zu Kohlhaas’ Truppen stossen lässt: Da gesellt sich Sancho Panza zu Don Quijotte, bloss, um vernünftigerweise gleich wieder nach Hause geschickt zu werden.
Ein anderer kleiner Witz im Spiel ist der Einsatz von Denis Lavant als ernsthaftem reformatorischem Prediger, der Kohlhaas die Leviten liest und sein Tun als verwerflich brandmarkt, nicht weil er ihm die Gerechtigkeit verweigern möchte, aber weil er das Töten von Bauern schlicht nicht als christliches Mittel zur Rechtsdurchsetzung akzeptieren will. Und die Bauern werden es ja am Ende sein, welche ihren Aufstand mit Kohlhaas tatsächlich mit dem Leben bezahlen.
Diese Franzosen!
Michael Kohlhaas ist ein gelungener, strenger Neo-Klassiker, ein Film für fast niemanden wohl, aber mit durchdachter Struktur und flüssiger Thesenhaftigkeit. Dass des Pallières bewusst mit dem Versprechen des Unterhaltungskinos spielt, zeigt sich auch daran, dass er im Presseheft zum Film erklärt, eigentlich habe er für die Titelrolle einen 30 Jahre jüngeren Clint Eastwood gesucht.
Und dann setzt er noch einen ironischen Sprung drauf: Die Casting-Agentin Sarah Teper habe ihm Mads Mikkelsen vorgeschlagen. Worauf er den im Internet gesucht habe (!) und sein Gesicht erst mal für untauglich hielt. Erst, nachdem er ihn in (ausgerechnet) Nicolas Winding Refns Pusher-Trilogie gesehen habe, sei er überzeugt gewesen von den Fähigkeiten des Mannes.
Diese Franzosen aber auch.