Wohlstandsverwahrloste Teenager, die in Beverly Hills die Villen ihrer Idole ausräumen. Das hat doch seinen Reiz. Jedenfalls wurden die echten Mitglieder des so genannten «Bling»-Rings zu Facebook-Berühmtheiten. Ein Grund für Sofia Coppola, ihren Protagonistinnen erfundene Namen zu geben.
Egoistische Hühner
Sie habe verhindern wollen, sagte die Regisseurin an der Pressekonferenz in Cannes, dass sie mit ihrem Film noch zum zweifelhaften Ruhm der Kids beitrage. Die Sorge muss sie sich wohl nicht machen: Die Jugendlichen dieses Films weisen – mit Ausnahme des Jungen im Bunde – wenig sympathische Züge auf. Es sind oberflächliche, labelversessene egoistische Hühner, und ihr Vokabular macht den Film in seinen ersten zwei Dritteln zur Tortur: «Oh My God… amazing… totally.»
Seine eigentliche Stärke ist zugleich die grösste Schwäche des Films. Coppola zeichnet ihre Figuren wie Karikaturen, lässt aber keinen Zweifel daran, dass sie der Realität entspringen. Die nächtlichen Raubzüge werden ebenso repetitiv wie der verbale Austausch unter den Kids, und ihre einzig der «Fameball»-Kultur entspringenden Visionen sind dermassen dünn, dass man fast durch die Leinwand fällt.
Das ist nicht Sofia Coppolas Fehler, sie kennt offensichtlich die Szene, die sie einfängt. Sie hat ja im Prinzip immer Filme über die Welt gedreht, in der sie aufgewachsen ist: die Scheinwelt zwischen Show und Business, Glamour und Schäbigkeit und der verzweifelten Suche nach etwas, das dem Leben Form geben könnte – in einer Umgebung, die «talent» preist, aber dem Glanz huldigt.
Der Schaden im Kopf
Die besten Momente hat der Film denn auch, wenn Coppola einen Einblick in die Familien ihrer Protagonisten gewährt. Da gibt es Einstellungen, die einen japsen lassen. Wenn aber zum Schluss die meisten der Girls sich in Eigen-PR-Salven ergeben, kommt die Karikatur schon wieder zur Deckung mit der Wirklichkeit. Ob nun Lindsay Lohan oder Paris Hilton oder eben die Chicks vom Bling Ring: Sie können mir gestohlen bleiben. Wenn die einen die anderen beklauen, kommt niemand zu Schaden, beziehungsweise, die Schädigung ist längst irreversibel in den Köpfen.
Der Film ist Sofia Coppolas Kameramann Harris Savides gewidmet, der während der Produktion gestorben ist. Ihm und Christopher Blauvelt sind einige ziemlich grossartige Einstellungen zu verdanken. Überhaupt ist «The Bling Ring» rein technisch eine gekonnte Angelegenheit und Sofia Coppola längst eine versierte Regisseurin. Aber damit ein Film mich erreicht, muss es ihm gelingen, mir seine Figuren zumindest so nahe zu bringen, dass sie mein Interesse wecken.
Link zum Artikel
Die Stärke der früheren Filme
«The Bling Ring» ist konsequent, bleibt ehrlich, aber der Film entwickelt keinen emotionalen Sog, die Barbies lassen mich kalt – weil sie selber nichts wirklich zu vermissen scheinen. Oder alles, ohne das auch nur im geringsten zu ahnen.
Aber einen Vorteil hat «The Bling Ring»: Der Film macht noch einmal ganz deutlich, wo die Stärke der anderen Filme von Sofia Coppola lag: Im Vermitteln einer Sehnsucht nach mehr als Oberfläche. Das war so in «Lost in Translation» und bei den «Virgin Suicides», ganz besonders aber bei «Marie Antoinette», mit dem Sofia Coppola hier in Cannes 2006 so unverdient Schiffbruch erlitten hatte. Dort ist es ihr gelungen, den Raum zwischen Attitüde und Sehnsucht zu öffnen.